Der Verfassung zum Geburtstag

Grundrecht auf analoges Leben

Unser Grundgesetz wird heute 74 Jahre alt. Wir gratulieren und wünschen uns allen ein neues Grundrecht.
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Ein stapel Grundgesetze mit Konfettigrafiken

Das Grundgesetz verteidigt die freie Entfaltung der Persönlichkeit und stellt alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Doch mit zunehmendem Digitalzwang entsteht eine neue Form der Ausgrenzung, die wir in diesem Jahr besonders ins Auge nehmen möchten: Menschen müssen auch davor geschützt werden, aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt und benachteiligt zu werden, weil sie kein Smartphone nutzen oder nicht für jeden Quatsch eine zwielichtige App installieren wollen.

Das Recht auf ein analoges Leben ohne strukturelle Nachteile gehört zu einer lebenswerten Welt im digitalen Zeitalter dazu.

Heribert Prantl fasst schon den runden 75. Geburtstag im nächsten Jahr ins Auge und fordert in seinem Newsletter „Prantls Blick“ bis dahin ein neues Grundrecht einzuführen:

Ich würde dem Grundgesetz gern ein neues Grundrecht schenken. Grundrechte sind die Fixpunkte, die Haltepunkt, die
Glanzpunkte des Grundgesetzes. Sie sorgen sich um die Grundlagen des Zusammenlebens, sie sind Schutz und Schild für Minderheiten. Es gibt nun eine ganz große Minderheit im Land, um die sich derzeit niemand kümmert, auch das Grundgesetz nicht.
Es sind die Menschen, die mit der neuen digitalen Welt nicht zurecht kommen oder nicht zurecht kommen wollen. Sie dürfen nicht ausgeschlossen werden, sie dürfen nicht ausgeschlossen bleiben. Für sie müssen wir ein neues Grundrecht schaffen, das ihnen die Teilhabe sichert: das Grundrecht auf ein analoges Leben. (Heribert Prantl)

Braucht es Belege für den Bedarf eines solchen Grundrechtes? Voila

Herr Prantl hat Recht, dass wir hier keine Ausgrenzung und Diskriminierung hinnehmen dürfen. Und es sind nicht nur alte Menschen und solche, die sich kein Smartphone leisten können, um die es uns hier geht. Denn die Gründe für einen Verzicht auf ein Smartphone sind vielseitig, und eigentlich sollten diese gar keine Rolle spielen. Auch wer sich ganz bewusst für den Verzicht auf eine Smartphone entscheidet, darf nicht zur Strafe von der Grundversorgung abgeschnitten oder aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt werden. Es gibt einfach viel zu viele gute Gründe, sich gegen ein Smartphone zu entscheiden:

  • Das Glück der Unerreichbarkeit feiern
  • Menschen treffen wollen, statt aufs Smartphone starren
  • Auf Erziehung ohne Smartphone Wert legen
  • Ohne Smartphone in Urlaub fahren wollen
  • GAFAM boykottieren → weder Google-Playstore noch Apple-Appstore nutzen
  • betroffen von digitalen Übergriffen sein und jetzt erst mal genug davon haben
  • kein Bock auf Überwachungskapitalismus haben
  • Anspruch, Technik nur dann zu nutzen, wenn man sie ausreichend versteht
  • Technik so gut verstehen, dass man sie nicht nutzen will
  • geistig nicht mehr in der Lage sein, die rasanten Änderungen nachzuvollziehen
  • nicht das Geld für ein Smartphone haben oder es nicht dafür ausgeben wollen
  • einen echten Computer daheim bevorzugen
  • im Verzicht aufs Smartphone einen Produktivitätsgewinn sehen

Nicht alle Menschen teilen diese Gründe, denn sie sind ziemlich individuell. Aber genau darum geht es ja: Wieviel Smartphone wir in unserem Leben haben oder nicht haben wollen, ist eine individuelle Entscheidung, die nicht durch Digitalzwang oder anderweitige Gängelung beeinflusst werden darf.

Deshalb finden auch wir: Nutzen wir dieses Jahr, um dem Grundgesetz zum nächsten Geburtstag mit dem „Recht auf analoges Leben“ ein neues Grundrecht zu schenken!

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Ich will Ihre App aber nicht installieren!

Digitalzwang

Das gute digitale Leben setzt voraus, dass wir Digitalisierung nicht mit Überwachung gleichsetzen und immer auch Wahlfreiheit haben, analog zu bleiben.

BigBrotherAwards-Laudatio von Rena Tangens für DHL

Die Deutsche Post DHL Group erhält den BigBrotherAward 2023 in der Kategorie Verbraucherschutz für praktizierten Digitalzwang.

Digitalcourage, CC-BY 4.0

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Digitalcourage, CC-BY 4.0