Fediverse – so geht gutes Social Media

Gemeinsam, dezentral und demokratisch: Für einen gesellschaftlichen Diskurs in sozialen Medien.

(Those who read English will enjoy this intro to Mastodon)

Sie fühlen sich unwohl, wenn Sie Facebook, Instagram oder Twitter nutzen? Fakenews, Hatespeech, Werbung und Inszenierung machen Ihnen schlechte Laune? Sie wissen nicht, was mit Ihren Daten passiert? Ihr Gefühl täuscht Sie nicht; denn das sind alles gute Gründe, die Social-Media-Großmächte zu meiden. Doch deswegen müssen Sie online nicht auf soziale Netzwerke verzichten. Denn es gibt gute Alternativen, mit denen Sie Ihre Privatsphäre und Selbstbestimmung behalten. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, welche Alternativen das sind, warum sie sozialer sind als kommerzielle Anbieter und warum sie wirklich vernetzen – im Fediverse.

Inhalt

1. Fedi...was?
2. Netzwerke, Server und Instanzen
3. Die vielen Optionen des Fediverse
4. Schritt 1: Plattform wählen
5. Schritt 2: Instanz wählen
6. Schritt 3: Mastodon-Account anlegen und im Smartphone einrichten
7. Schritt 4: Los geht's
8. Schritt 5: Wenn Sie von Twitter kommen... (optional)
9. Das spricht gegen kommerzielle Anbieter
10 Raus aus den Social-Media-Silos – mit offenen Schnittstellen
11. Eine ausbaufähige Basis
12. Wie kann ich euch folgen?

Fedi... was?

Fediverse kommt von „Federated Universe“ und ist eine Wortkreuzung aus „Föderation“ und „Universum“. Also ein Universum harmonisch kooperierender Netzwerke. Ja, das hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Föderation der vereinten Planeten von Star Trek.

Das Fediverse gehört niemandem und allen – und ist damit wirklich sozial: Denn die Nutzer.innen haben die Wahl und können so den gesellschaftlichen Diskurs über unsere Kommunikationsregeln mitbestimmen. Oder auch selbst einen Teil des Netzes betreiben. Also der komplette Gegensatz zu geschlossenen Netzwerken wie Facebook/Instagram, Tiktok und Twitter. Damit legt das Fediverse den Grundstein für eine Social-Media-Lösung, die die Macht über unsere digitale Kommunikation in die Hände der Gemeinschaft legt. Und spätestens seit Elon Musk angekündigt hat, Twitter übernehmen zu wollen, ist das Fediverse kein Nischenphänomen mehr – Millionen Menschen nutzen es weltweit.

  • Netzwerk aus vielen unabhängigen Plattformen und Diensten
  • Alle können sich miteinander verbinden
  • Nutzer.innen können mit einem einzigen Account über alle Plattformen hinweg kommunizieren
  • dezentral
  • basiert auf freier Software und offenen Schnittstellen

Netzwerke, Server und Instanzen

Das Fediverse ist ein riesiges Netzwerk, dessen Knotenpunkte Server sind, auch „Instanzen“ genannt. Instanzen deshalb, weil auf ihnen eine bestimmte Software läuft. Das muss nicht immer dieselbe Software sein – Hauptsache, sie spricht ein Protokoll namens ActivityPub. Das ist so etwas wie eine Universalsprache, über die sich die verschiedenen Dienste miteinander austauschen und plattformübergreifend vernetzen. So eine Software nennt man zusammen mit ihren mehreren Instanzen eine verteilte Plattform. Im Gegensatz dazu sind Twitter, Facebook, Instagram und Tiktok zentralisierte Plattformen mit nur jeweils einer Instanz.

Einige Plattformen ähneln in Stil, Aktivitäten und Funktion Twitter, andere bieten mehr Kommunikationsmöglichkeiten und sind vergleichbar mit Facebook oder Instagram. Unabhängig von der verwendeten Software, haben viele Instanzen einen thematischen Schwerpunkt – von Amateurfunk über lokale Gemeinschaften bis zu Klimawandel, Wissenschaft und Nerdstuff.

Die vielen Optionen des Fediverse

Welche Instanz Sie wählen, hängt von Ihren persönlichen Interessen ab. Wenn Sie sich für einen twitterähnlichen Dienst entscheiden, Ihre Freund.innen sich aber wohler fühlen, wenn es eher wie bei Instagram aussieht, können Sie einander trotzdem folgen. Auch wenn sich Ihre Vorlieben ändern: Sie haben immer die Wahl – und behalten immer Ihre Kontakte.

Schritt 1: Plattform wählen

Zunächst müssen Sie sich überlegen, welche Plattform Sie bevorzugen. Oft ähneln die Dienste schon bekannten kommerziellen Diensten:

Vergleichbar mit Facebook

Friendica

Friendica und Hubzilla sind „Social-Media-Cockpits“, mit denen Sie auf vielen Hochzeiten tanzen können. Beide Lösungen ermöglichen Ihnen, Beiträge zeitgleich im Fediverse, auf Twitter und Diaspora zu veröffentlichen – also in so ziemlich jedem sozialen Netzwerk außer Facebook (und damit auch Instagram). Ein unschlagbarer Vorteil, wenn sie wirklich mit allen im Fediverse kommunizieren wollen.

Misskey

Misskey ähnelt Friendica, ist aber bunter und jünger. Auf alles kann man mit Emojis reagieren. Hochgeladene Medien findet man schnell im Drive wieder. Und dank Threads sind auch gut strukturierte Diskussionen möglich.

Mobilizon

Mobilizon ist eine vielversprechende freie Alternative zu Facebook-Events, also ein Veranstaltungskalender mit Interaktionsmöglichkeiten.

Diaspora

Diaspora ist eine der ältesten Facebook-Alternativen. Gegen Diaspora spricht, dass es kein ActivityPub nutzt und dadurch vom modernen Fediverse abgeschnitten ist.

Digitalcourage wirkt. Wirken Sie mit!

Vergleichbar mit Twitter

Mastodon

Bei Mastodon verschicken Sie keine „Tweets“, sondern „Tröts“ oder englisch „Toots“. (Anderswo im Fediverse werden Beiträge Micropost, Status, Note oder einfach Post genannt.) Die Länge eines Tröts ist i.d.R. auf 500 Zeichen beschränkt. Die Mastodon-Community legt großen Wert auf einen freundlichen Umgangston und konstruktive Beiträge. Sie können den Empfänger.innenkreis Ihrer Nachrichten einschränken und entscheiden, ob diese von anderen geteilt werden dürfen. Gern gesehen sind Inhaltswarnungen und Bildbeschreibungen (die der Barrierefreiheit dienen). Mit einem Mastodon-Profil können Sie User.innen aller Fediverse-Dienste folgen, die ActivityPub sprechen, also z.B. Pleroma, PeerTube, Pixelfed, Friendica, Misskey und Hubzilla.

Es gibt verschiedene Apps fürs Smartphone (Android oder iOS): Für Android sind die freien und quelloffenen Apps Tusky, Fedilab und Twidere einen Blick wert. Letztere funktioniert auch mit Twitter. Auf einem „normalen“ Rechner wird Mastodon über den Webbrowser gesteuert.

Wir sind von Mastodon so begeistert, dass wir eine eigene Instanz betreiben: digitalcourage.social. Gegen einen Kostenbeitrag von 1€/Monat können Sie dort veröffentlichen. Andere Mastodon-Instanzen haben andere Finanzierungsmodelle oder auch keine.

Pleroma

Pleroma ähnelt Mastodon. Auf Pleroma-Instanzen können Beiträge typischerweise 5000 Zeichen lang sein. Pleroma-User.innen können anderen Fediverse-Wesen folgen und umgekehrt.

GNU Social

GNU Social war eine der ersten freien Twitter-Alternativen. Leider ist sie nicht zu allen hier genannten Fediverse-Diensten kompatibel, weil sie das ActivityPub-Protokoll (noch) nicht einsetzt. Sollte sich das ändern, bitten wir um Nachricht.

Vergleichbar mit Instagram

Pixelfed

Pixelfed ist die „fediversche“ Antwort auf Instagram: Werbefrei, ohne verzerrende Algorithmen, mit Fotofiltern und starker Privatsphäre. Probieren Sie es aus, wenn Sie ein visueller Typ sind!

Vergleichbar mit YouTube

PeerTube

PeerTube ist ein trackerfreies Videoportal mit globaler Suche, guten Wiedergabelisten und Peer-to-Peer-Streaming, auch live. Eine Suchmaschine über viele PeerTube-Instanzen hinweg gibt es auch: SepiaSearch.org. Auch Digitalcourage betreibt eine eigene PeerTube-Instanz: digitalcourage.video.

Vergleichbar mit Soundcloud

Funkwhale

Funkwhale ist wie PeerTube, aber nur für Audio. Also interessant für Musikbegeisterte, Hörbuchlauschende und andere Ohrenmenschen. Die App für Funkwhale installieren, dann am besten aus dem F-Droid!

Castopod

Castopod ist die Lösung für Postcaster.innen, die ins Fediverse funken wollen.

Vergleichbar mit Reddit

Lemmy

News-Junkies, die Reddit oder HackerNews nutzen, werden Lemmy lieben. Hier kann man Links mit anderen teilen und über Inhalte diskutieren. Dieser gemeinschaftliche Nachrichtenkonsum macht Lemmy zu einem sogenannten Social-News-Aggregator.

Vergleichbar mit Blogger/Blogspot/Wordpress

Hier verlassen wir die Welt des Microbloggings und betreten die Welt des (Macro-)Bloggings.

WriteFreely

Ablenkungsarm lange Texte schreiben und lesen. Dafür ist WriteFreely da.

Wordpress mit ActivityPub-Plugin

Mit diesem Plugin kann ein Wordpress-Blog Teil des Fediversums werden: https://wordpress.org/plugins/activitypub/

Vergleichbar mit GoodReads

BookWyrm

Bücher lesen und darüber schreiben. Dann mehr Bücher lesen. Dafür ist BookWyrm da. Weil es im Gegensatz zu GoodReads ActivityPub spricht, kann man auch mit einem Mastodon- oder Pleroma-Konto teilhaben.

Mehr dazu: https://joinbookwyrm.com/

Schritt 2: Instanz wählen

Haben Sie sich für eine Plattform entschieden, müssen Sie eine Instanz auswählen. Während Twitter und andere Social-Media-Kanäle gewöhnlich über eine zentrale Website gesteuert werden, besteht der Witz vom Fediverse darin, dass das Netz über viele verschiedene und voneinander unabhängige Server gebildet wird. Diese Server oder Instanzen haben je einen eigenen Namen und bilden den „Heimathafen“ ihrer jeweiligen Nutzer.innen. Lassen Sie sich von der großen Auswahl nicht einschüchtern. Sie können sich später noch umentscheiden.

Digitalcourage hat sich für Mastodon als Heimathafen-Plattform entschieden. Deshalb bezieht sich unsere Anleitung auf diese Plattform und Instanz.

Sie möchten jetzt endlich loslegen? Gut! Auf der offiziellen Projektwebsite https://joinmastodon.org finden Sie leicht eine Instanz in der passenden Sprache und inhaltlichen Ausrichtung. Alternativ können Sie auf https://instances.social fündig werden.

Eine Mastodon-Instanz finden

Tipp 1: Wahlkriterien

Obwohl alle Fediverse-Instanzen grundsätzlich mit allen anderen Instanzen Nachrichten austauschen können, ist es wichtig, die Heimat-Instanz, bei der Sie Ihr Konto anlegen wollen, reflektiert zu wählen; denn Sie wollen für Sie relevante Inhalte bekommen. Außerdem legt jede Instanz bestimmte Regeln fest und diese sollten zu Ihnen passen. Jede Instanz hat auch eigene Methoden, um innerhalb der gesetzlichen Vorgaben das richtige Gleichgewicht zwischen Redefreiheit und Schutz vor Hassrede zu finden. Dafür sorgt idealerweise ein Moderationsteam, aber es liegt vor allem an den User.innen selbst. Auch das kann ein Entscheidungskriterium für Sie sein bei der Wahl Ihrer Instanz.

Tipp 2: Wahlfreiheit nutzen

Um die dezentrale Kraft des Fediverse zu erhalten möchten wir möglichst vermeiden, dass Instanzen zu groß werden. Wählen Sie lieber eine kleinere Instanz. Manchmal lassen Instanzen keine neuen Registrierungen mehr zu. Es kann daran liegen, dass sie bereits ausgelastet sind, aus besagten Gründen nicht mehr wachsen wollen oder es gerade einen großen Ansturm gibt, z.B. weil Facebook seine AGB verschärft hat. Oder weil mal wieder ein Multimilliardär auf Social-Media-Dienstleister-Shoppingtour geht. Suchen Sie sich eine andere Instanz. Es gibt ja mehr als genug.

Was Sie im Mastodon-Heimathafen von Digitalcourage erwartet:
Der Mastodon-Account bei Digitalcourage kostet einen Euro pro Monat. So können wir den Server langfristig erhalten und mit den steigenden Anforderungen wachsen (skalieren) lassen. Wir möchten hier den Dialog führen, wie digitale Kommunikation gelingen kann. Dafür haben wir die maximale Länge pro Tröt auf 1.024 Zeichen erhöht. Anders als in Mastodon vorgesehen, speichern wir keine IP-Adressen. Menschen, die sich unsicher in der öffentlichen Kommunikation fühlen, sollen darauf vertrauen können, dass wir freundlich miteinander umgehen und rassistischen, sexistischen, homo- oder transphoben Beiträgen keinen Raum geben. Unsere Mastodon-Instanz finden Sie hier: digitalcourage.social

Schritt 3: Mastodon-Account anlegen und im Smartphone einrichten

Um das Fediverse aktiv zu nutzen, brauchen Sie mindestens eine Identität. Das ist ein User-Profil auf einer Instanz. Man nennt es auch Benutzer.innenkonto oder kurz Account. Damit Sie sich auf Ihrer Wunschinstanz registrieren können, brauchen Sie einen Usernamen, eine E-Mail-Adresse und ein selbst gewähltes Passwort. Ein Username ist immer an die „Heimatinstanz“ gebunden, er besteht aus zwei Teilen: dem Usernamen und dem Instanznamen, jeweils mit einem @ davor.

Beispiel: @freiheit@digitalcourage.social ist der Account auf digitalcourage.social, den die IT-Admins und Moderator.innen gemeinsam nutzen, um die Benutzer.innen von digitalcourage.social zu unterstützen.

Tipp: Ihr Username ist auf Ihrer Wunschinstanz bereits vergeben und Sie hängen sehr an ihm? Probieren Sie es auf einer anderen Instanz, die Ihnen zusagt.

Sie können Mastodon überall browserbasiert nutzen. Für Smartphones und Tablets gibt es außerdem Apps. Wir empfehlen auf Android-Geräten Tusky und auf iOS-Geräten Metatext. Wer eine App sucht, die Twitter und Mastodon in einer Timeline darstellt, kann unter Android Twidere nutzen. Diese App kann aber leider keine Umfragen darstellen.

Tröten, folgen, favorisieren, boosten (das Fediverse-Pendant zum Teilen/Retweeten) sollte für Twitter-erfahrene Nutzer.innen ein Klacks sein.

Schritt 4: Los geht's

Es ist wie bei einer Party: Sie haben das Gefühl, alle kennen sich, nur Sie sind fremd. Doch das legt sich schnell. Nach der Registrierung zeigt Ihnen Ihre Mastodon-Instanz eine Reihe beliebter Accounts an, denen Sie folgen können. Im Menü (≡) unter „Entdecken“ und „für dich“ können Sie sich das auch später noch ansehen. Wenn Sie die ersten interessanten Accounts gefunden haben, geht es meist recht schnell Beobachten Sie Ihre Timeline, stöbern Sie in der lokalen oder föderierten Zeitleiste oder schauen Sie sich an, wem die anderen so folgen, mit wem sie interessante Dialoge geführt haben oder kontrovers diskutieren. Ein thematisch geordnetes Verzeichnis einiger persönlicher Fediverse-Accounts ist Trunk.

Um einem Account zu folgen geben Sie am besten die komplette Kennung in das Suchfeld (meist oben links) ein. Für Digitalcourage wäre das z.B. „@digitalcourage@digitalcourage.social“ Sie können ein Fediverse-Profil auch direkt besuchen z.B. unseres: https://digitalcourage.social/@digitalcourage

Machen Sie sich mit den Community-Regeln Ihrer Instanz vertraut. Einige haben z.B. Vorgaben zu Crossposting, Bildbeschreibungen oder Inhaltswarnungen. Viele Instanzen haben aktive Moderationsteams denen zu folgen sich lohnt. Außerdem lohnt es sich, den Unterschied zwischen öffentlichen, ungelisteten, nur den Followern angezeigten und privaten Posts zu ergründen:

  • öffentlich: Alle können den Post sehen, er erscheint in verschiedenen Timelines
  • ungelistet: Der Post erscheint nicht in der öffentlichen Timeline ist aber für alle, die Ihnen folgen oder den Direktlink haben, sichtbar
  • Nur Folgende: Die Nachricht kann nur von Ihren Followern angesehen aber nicht geboostet werden.
  • Direktnachrichten gehen nur an den angeschriebenen Account, funktionieren aber innerhalb verschiedener Instanzen möglicherweise nicht sauber und sind daher nicht als vertraulich zu betrachten.

Zur Orientierung für den Einstieg befragen Sie eine Suchmaschine Ihrer Wahl. Dort finden Sie Einsteigertexte wie diesen hier.

Bevor Sie Menschen anschreiben oder ihnen Folgeanfragen schicken, werfen Sie einen Blick auf Ihr Profil: Haben die kontaktierten Personen, die Möglichkeit, sich ein Bild von Ihnen zu machen? Ihr Profil muss noch nicht fertig sein und darf selbstverständlich so anonym gehalten sein, wie es Ihnen entspricht. Doch wird man auf ein Profil ohne Bild und Beschreibung vielleicht nicht so gerne antworten.

Der erste Tröt

Wenn Sie soweit sind, verfassen Sie Ihren ersten Tröt. Stellen Sie sich vor, erzählen Sie etwas über sich oder Ihre Interessen und fügen Sie den Tag #neuhier hinzu. Das Fediverse wird Sie herzlich begrüßen. Unter #neuhier werden häufig auch Fragen beantwortet. Ein Blick auf den Tag lohnt sich.

Die Verschiedenen Timelines

Auf Mastodon gibt es drei verschiedene Timelines. Es lohnt zu verstehen, wie diese sich zusammensetzen.

  • „Home“-Timeline: Hier erscheinen Inhalte und Shares der Leute, denen Sie folgen.
  • „Lokale“-Timeline: Hier lesen Sie alle Nachrichten, die auf Ihrer Heimathafen-Instanz gespostet werden.
  • „Föderierte“ Timeline: Hier lesen Sie außerdem noch Inhalte von Accounts, denen andere Accounts aus Ihrer Heimathafen-Instanz folgen.

Oder anders herum betrachtet: Ihre öffentlichen Posts erscheinen in der lokalen Timeline. Wenn auch nur eine Person von einer anderen Instanz Ihnen folgt, werden Ihre öffentlichen Posts zusätzlich in der föderierten Timline dieser Instanz angezeigt. Jetzt wird vielleicht auch klarer, weshalb es ungelistete Posts gibt. Mit denen passiert das nämlich nicht.

Schritt 5: Wenn Sie von Twitter kommen...

Twitter-Kontakte finden (optional)

Wenn Sie von Twitter kommen, gibt es Hilfsmittel, mit denen Sie ihre Kontakte im Fediverse wiederfinden. Alle hier empfohlenen Dienste sind quelloffen, und wir halten sie für vertrauenswürdig.

Helferlein, die Twitter-Profile auf Fediverse-IDs durchsuchen

Die Digitale Selbstverteidigung aktuell zu halten ist viel Arbeit. Unterstützen Sie uns mit einer Spende oder Mitgliedschaft.

Funktionsweise:

Die Online-Werkzeuge Fedifinder und Debirdify durchsuchen verschiedene Felder in den Profilen der Twitter-Accounts, denen Sie folgen, nach Fediverse-IDs der Form @user@instanz. Aus den gesammelten Daten erstellen sie sehr flott eine CSV-Datei, die Sie runterladen und dann in den persönlichen Einstellungen auf Ihrer Mastodon-Instanz importieren können.

Die Unterschiede zwischen den beiden Werkzeugen sind gering, und da noch eifrig an ihnen programmiert wird, ändern sie sich noch. Tipp: Benutzen Sie beide Werkzeuge! Gern auch erneut nach ein paar Stunden oder Tagen.

Anleitung:
  1. Fedifinder oder Debirdify aufrufen
  2. Zugriff auf Ihr Twitterkonto genehmigen
  3. Das Tool durchsucht die Twitter-Profile Ihrer Kontakte nach Fediverse-IDs
  4. Liste als CSV-Datei herunterladen
  5. Dem Helferlein den Zugriff auf Ihr Twitterkonto entziehen
  6. Ihre Mastodon-Instanz (z.B. https://digitalcourage.social) in einem Browser öffnen und in den persönlichen Einstellungen ⚙ → Importieren und ExportierenDatenimport klicken. CSV-Datei auswählen und hochladen.

Spätestens nach ein paar Minuten sehen Sie die gefundenen Fediverse-Accounts in Ihrem Mastodon-Profil in der Liste der Accounts, denen Sie folgen.

Helferlein, die sich merken, welcher Fediverse-Account zu welchem Twitter-Account gehört

Funktionsweise:

Einen anderen Ansatz als die oben beschriebenen Helferlein verfolgt Twitodon: Ähnlich wie bei einer Twitter-Mastodon-Brücke gewährt man dem Dienst Zugriff auf das eigene Twitter- und Mastodon-Konto. Twitodon speichert dann diese Verknüpfung in seiner Datenbank und fängt sofort an, ziemlich langsam nachzusehen, ob es schon Fediverse-IDs kennt, die zu Ihren Twitter-Kontakten gehören.

Anleitung:
  1. https://twitodon.com/ aufrufen
  2. Zugriff auf Ihr Twitterkonto genehmigen
  3. Adresse Ihrer Mastodon-Instanz (z.B. https://digitalcourage.social) eingeben und Zugriff erlauben und warten
  4. Liste als CSV-Datei herunterladen
  5. Zugriff auf Twitter entziehen
  6. Zugriff auf Ihre Mastodon-Instanz entziehen
  7. CSV-Datei in Ihr Mastodon-Konto importieren wie oben beschrieben

Stand Anfang November 2022 findet Twitodon deutlich weniger Fediverse-Accounts als Fedifinder oder Debirdify. Aber das wird sich verbessern, wenn mehr Leute den Dienst genutzt haben und dadurch die Datenbank gewachsen ist.

Tipp: Benutzen Sie alle drei Werkzeuge, wenn Sie möglichst viele Kontakte wiederfinden wollen!

Crossposting mit der Social-Media-Bridge (optional)

Sie wollen Mastodon erst mal ausprobieren? Kein Problem. Sie müssen ja nicht gleich ihre Accounts bei Facebook, Twitter und Co. kündigen.

Wenn Sie Posts nicht doppelt schreiben möchten, gibt es zumindest für Twitter eine Lösung: Richten Sie eine Weiterleitung von Twitter zu Mastodon und/oder umgekehrt ein. Im Browser geht das ganz einfach mit dem Twitter-Mastodon-Crossposter. Der quelloffene Dienst spiegelt Ihre Tweets von einer Plattform zu anderen.

Eine solche Social-Media-Bridge ist ein Dienst, der Ihre Tweets ins Fediverse überträgt und Ihre Tröts zu Twitter, wenn Sie wollen. Zitate, Retweets und Antworten bleiben aber normalerweise auf die jeweilige Plattform beschränkt. Doch Social Media ist keine Einbahnstraße, sondern lebt vom Diskurs. Nutzen Sie deshalb Ihren Mastodonaccount auch während der „Probezeit“ regelmäßig aktiv. Sonst betreiben Sie einen unattraktiven Zombieaccount, der zwar dauernd plappert, aber für Antworten, Rückfragen oder Kritik nicht erreichbar ist.

Posten Sie auch deshalb auf Mastodon, damit Ihnen Menschen folgen können, die die Twitter-AGB nicht akzeptieren wollen.

Crossposter einrichten

  1. Loggen Sie sich in einem Fenster auf Twitter ein.
  2. Loggen Sie sich in einem zweiten Fenster parallel in Ihre Mastodon-Instanz ein. Öffnen Sie außerdem die Seite https://crossposter.masto.donte.com.br oder https://moa.party/ und klicken Sie dort die Buttons „Twitter“ und „Mastodon“ an, um die erbetenen Rechte zu gewähren.
  3. Wählen Sie „Optionen“ aus, um Ihre Accounts zu synchronisieren. Sie können wählen zwischen „Mastodon zu Twitter“, „Twitter zu Mastodon“ oder beiden Möglichkeiten.
  4. Aktualisieren Sie die Einstellungen.

Ab jetzt wird alles, was Sie im einen Dienst schreiben, an den anderen geschickt. Wir empfehlen, Mastodon als Hauptinstanz zu nutzen und Twitter nur als Zweitmedium. So verfallen Sie nicht ungewollt in alte Gewohnheiten und verlieren Mastodon dabei aus den Augen. Ziel ist es, sich die meiste Zeit im Fediverse aufzuhalten und nur noch bei Twitter einzuloggen, um Fragen zu beantworten.

Wenn Sie ausschließlich über ihr Smartphone tröten bzw. twittern, können Sie statt einer Weiterleitung auch eine App nutzen, die beide Kanäle mit einem Schlag füttert, z.B. die freie App Twidere, die auch im Freien App-Store F-Droid angeboten wird. So haben Sie beide Plattformen gleichermaßen im Blick. Nachteil ist allerdings, dass Twitter regelmäßig Schritte unternimmt, um es solchen Drittanbieter-Apps schwer zu machen. Es kommt dadurch hin und wieder zu Komplikationen, die sich manchmal nicht so schnell lösen lassen.

Diesen Text gibt es auch als Mini-Büchlein in unserer "kurz&mündig"-Reihe. Zum analogen blättern und weiterschenken.

Das spricht gegen kommerzielle Anbieter

Facebook, Instagram, Twitter, YouTube, Soundcloud, TikTok und wie sie alle heißen, kranken alle an demselben Problem: Sie haben keine offenen Schnittstellen und bilden damit jeweils ein eigenes Universum, in dem sie jeweils konkurrenzlose Monopolisten sind. Als Nutzer.in haben Sie bei Missfallen nur zwei Optionen: den Frosch schlucken, sprich dableiben oder die Plattform verlassen und damit die Verbindung zu all Ihren Kontakten verlieren. Das ist ein hoher Preis und tut Ihnen viel mehr weh als Ihre Kündigung dem Plattformbetreiber. Deshalb schluckt man in der Regel lieber den Frosch. Und den nächsten auch. Und den nächsten dann auch noch. Und irgendwann hat man sich ans Frösche schlucken gewöhnt. Das nennt man Netzwerkeffekt. Was bringt es Ihnen auch, zu einem Anbieter zu wechseln, bei dem Sie niemanden erreichen, der für Sie relevant ist? Bei diesen kommerziellen Anbietern sitzen Sie ständig am kürzeren Hebel. Entsprechend wenig interessieren sich diese Dienste für Ihre Anliegen. Denn Facebook und Co. geht es nicht darum, Ihnen ein gutes Angebot zu machen. Sondern darum, Ihnen möglichst gewinnbringend Werbung zu präsentieren und Sie zum Weiterklicken zu animieren.

Besonders viele Werbeeinnahmen lassen sich erzielen, wenn ein Inhalt ein besonders hohes Engagement auslöst. Wenn also viele Menschen interagieren, z.B. durch ein Like oder ein Share oder eine Antwort oder einen Klick auf einen Link etc.):

  • süße und witzige Inhalte wie Katzenfotos – Sie lösen Likes und Shares aus.
  • Falschaussagen / Lügen – Sie lösen falschen Beifall und berechtigten Widerspruch aus.
  • Hassnachrichten – Sie lösen sowohl Zustimmung als auch Solidarisierung mit den Angegriffenen aus.

Differenzierte Inhalte, die inhaltlich in die Tiefe gehen, werden oft nur passiv gelesen und führen erheblich seltener zu Interaktion. Deshalb werden solche Inhalte algorithmisch diskriminiert. Während Lügen und Hassnachrichten besonders häufig angezeigt werden, bleiben Sie von tiefgründigen Botschaften eher „verschont“. Außerdem werden Tracking Profile über Sie angelegt, die mehr über Sie verraten als Ihnen lieb sein dürfte.

Raus aus den Social-Media-Silos – mit offenen Schnittstellen

Schon 2011 hat Digitalcourage gemeinsam mit vielen anderen Gruppen Grundregeln für Social-Media-Plattformen entwickelt. Dabei geht es vor allem um Dezentralität und Wahlfreiheit: Jeder Mensch sollte sich die Plattform selbst aussuchen können und die Plattformen sollen sich miteinander verbinden können. Dazu braucht es offene Schnittstellen. „Offene Schnittstellen“ klingt technisch, ist aber einer der wichtigsten Gründe, warum wir das Fediverse als beste Antwort auf die gesellschaftlichen Probleme hinsichtlich Social-Media sehen. Das Fediverse ist dezentral und unabhängig, große Konzerne haben keine Macht über unsere (Massen-)Kommunikation. Es gibt es keinen „Netzwerkeffekt“ mehr. Mit offenen Schnittstellen haben Sie wieder eine Wahl und mehr Kontrolle. Für den Plattformwechsel werden Sie nicht bestraft. Wenn also Ihr Anbieter Menschenrechtsaktivist.innen blockiert oder Despoten ein Sprachrohr gibt, können Sie sich einen anderen Dienst suchen.

Eine ausbaufähige Basis

Das Fediverse ist kein Heilsbringer, aber es ermöglicht uns, die Social-Media-Probleme sinnvoll anzugehen und zu diskutieren. Im Fediverse können wir viel mitgestalten und gemeinsam Lösungen finden. Als beispielsweise vermehrt rechtsextremistische Instanzen auftauchten, haben die anderen Instanzen schnell reagiert und keine Nachrichten mehr mit ihnen ausgetauscht.

Ein paar Probleme müssen allerdings noch gelöst werden: Wenn zum Beispiel eine Plattform einen Dienst anbietet, den es bei anderen nicht gibt, können bestimmte Inhalte verloren gehen.

Es gibt keine globalen Benutzernamen. Die dazugehörige Instanz muss immer mitangegeben werden. Offene Schnittstellen garantieren nicht, dass Lügen und Hass draußen bleiben. Auch Extremist.innen und Rüpeln steht es frei, Instanzen im Fediverse anzubieten und zu nutzen.

Aber innerhalb der einzelnen Instanzen wird auf Augenhöhe diskutiert – auch mit den Beitreibenden. Das ermöglicht auch Ihnen als Nutzer.in den gesellschaftlichen Diskurs mitzugestalten, gemeinsam Antworten zu finden und so das Fediverse weiterzuentwickeln.

Wie kann ich euch folgen?

Liste der von Digitalcourage offiziell betriebenen Accounts:

https://digitalcourage.social/@digitalcourage Digitalcourage
https://chaos.social/@DigitalcourageBS Ortsgruppe Braunschweig
https://digitalcourage.social/@dc_og_HB Ortsgruppe Bremen
https://digitalcourage.social/@dchsg Hochschulgruppe Bielefeld
https://digitalcourage.social/@fnf Freedom Not Fear

Accounts aus dem Digitalcourage-Umfeld

https://nerdculture.de/@kirschwipfel
https://digitalcourage.social/@chpietsch
https://digitalcourage.social/@cryptgoat
https://digitalcourage.social/@padeluun
https://digitalcourage.social/@reticuleena
https://digitalcourage.social/@d4m13n
https://digitalcourage.social/@Kidsdigitalgenial

(Zählst du dich zum Digitalcourage-Umfeld und möchtest auf diese Liste? Dann melde dich bei uns)

Internet- und Datenschutzbezug

https://chaos.social/@echo_pbreyer
https://social.tchncs.de/@kuketzblog
https://bonn.social/@ulrichkelber
https://chaos.social/@netzpolitik_feed
https://bawü.social/@lfdi LfDI BaWü
https://chaos.social/@digiges Digitale Gesellschaft e.V.
https://mastodon.social/@digiges Digitale Gesellschaft Schweiz
https://chaos.social/@epicenter_works Epicenter Works
https://mastodon.social/@fsfe Free Software Foundation Europe
https://mastodon.earth/@cryptoparty CryptoParty
https://aleph.land/@cryptoparty_berlin CryptoParty Berlin
https://bonn.social/@cryptoparty CryptoParty Köln/Bonn


Digitalcourage setzt sich für Ihre Privatsphäre und Grundrechte ein. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende oder mit einer Fördermitgliedschaft.


Letzte Änderungen:

  • November 2022: Hinweise zu Twitter-Umzug angepasst (neu: Twitter-Kontakte finden)
  • Oktober 2022: Artikel wurde gekürzt und redaktionell überarbeitet (Lesbarkeit verbessert), sowie inhaltlich auf Stand gebracht und um ein paar Starttipps ergänzt.

Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, auch nicht durch unsere Empfehlungen. Programme können unentdeckte Fehler haben, und Datenschnüffeltechniken entwickeln sich weiter. Bleiben Sie wachsam!
Der Artikel ist auf dem Stand vom 02.11.2022. Sollten Sie Fehler finden, Ergänzungen haben oder Empfehlungen bei Ihnen nicht funktionieren, geben Sie uns bitte Bescheid.