(eilt) Bundestag weitet eu-rechtswidrige Vorratsdatenspeicherung auf Einbruch aus – Digitalcourage fordert ihre Abschaffung

Der Bundestag hat am heutigen Donnerstag, 29. Juni, gegen 17:35 Uhr die umstrittene Vorratsdatenspeicherung auf Wohnungseinbrüche ausgeweitet. Dabei hatte vor wenigen Tagen das Oberverwaltungsgericht NRW die Vorratsdatenspeicherung insgesamt für europarechtswidrig befunden.

P r e s s e m i t t e i l u n g
Berlin/Bielefeld 29.6.2017

Große Koalition will jetzt Einbrecher mit Massenüberwachung fangen – dabei ist die Speicherung der Daten europarechtswidrig – Digitalcourage fordert Aufhebungsgesetz

Der Bundestag hat am heutigen Donnerstag, 29. Juni, gegen 17:35 Uhr die umstrittene Vorratsdatenspeicherung auf Wohnungseinbrüche ausgeweitet. Dabei hatte vor wenigen Tagen das Oberverwaltungsgericht NRW die Vorratsdatenspeicherung insgesamt für europarechtswidrig befunden. Aktivistinnen und Aktivisten von Digitalcourage, die Bundestagsabgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Konstantin von Notz und Lars Klingbeil, der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und 22 weitere Bürgerrechtsorganisationen haben heute Mittag bei Dauerregen vor dem Bundestag ein politisches Ende der Vorratsdatenspeicherung gefordert. (Fotos finden Sie auf digitalcourage.de.)

„Statt darüber abzustimmen, die Vorratsdatenspeicherung auszuweiten, wäre es höchste Zeit gewesen, sie abzuschaffen“, erklärt padeluun, Gründungsvorstand von Digitalcourage. „Wenn die SPD und ihr Kanzlerkandidat glaubwürdig sein wollen, müssen sie ein Aufhebungsgesetz einbringen und damit die Vorratsdatenspeicherung beenden.“

Mit Digitalcourage protestiert haben unter anderem die Deutsche Vereinigung für Datenschutz, die Humanistische Union, die Deutsche Aids-Hilfe, die Freie Ärzteschaft, die Internationale Liga für Menschenrechte, der E-Mail-Anbieter mailbox.org, das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung und der Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung.

Erst gestern hat die Bundesnetzagentur bekannt gegeben, dass sie vorerst keine Strafen gegen Kommunikationsanbieter verhängen wird, wenn diese nicht auf Vorrat speichern. Damit reagierte sie auf eine einstweilige Anordnung des Oberverwaltungsgerichts NRW, das den Münchner Provider SpaceNet von der Speicherpflicht befreit hat, bis das Hauptsacheverfahren zur Klage des Providers entschieden ist. Digitalcourage fordert gemeinsam mit anderen Organisationen, dass die Große Koalition die Vorratsdatenspeicherung mit einem Aufhebungsgesetz politisch beendet:

„Die Politik darf die Augen nicht länger verschließen: Ein Gericht nach dem anderen kommt zu dem Schluss, dass das Gesetz nicht mit dem Grundgesetz und der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist. Es gehört in die Tonne – für immer“, sagt Kerstin Demuth von Digitalcourage. „Anlasslose Massenüberwachung von Telefonen und Internet sind mit einer Demokratie nicht kompatibel.“

Detlef Borchers würdigt den Protest auf heise.de: „Es regnete so stark, dass der Verband der Tourismusindustrie die erste deutsche Strandkorbdemonstration abbrechen musste. Doch der Wolkenbruch schaffte es nicht, die Gegner der Vorratsdatenspeicherung vom Platz vor dem Bundestag zu waschen.“

Der Bundestag hat heute eine Änderung des StGB zum Wohnungseinbruchdiebstahl beschlossen: „Um die Ermittlungsbehörden zu stärken, soll der Katalog des § 100g Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) erweitert werden, so dass diesen auch auf Vorrat gespeicherte Verkehrsdaten zur Verfügung stehen“, heißt es in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz.

Pressekontakt:
Digitalcourage e.V.
Rena Tangens, padeluun, Friedemann Ebelt, Kerstin Demuth
Tel: 0521 1639 1639
E-Mail: presse@digitalcourage.de
https://digitalcourage.de/

Weiterführende Informationen:

– Bericht vom Protest, mit Fotos zur freien Verwendung: Weg mit Vorratsdatenspeicherung! (Do. 29. Juni 2017, Berlin):
https://digitalcourage.de/blog/2017/schroedingers-vorratsdatenspeicherung-bilder-vom-protest-am-29-juni
– Das Protest-Bündnis:
https://digitalcourage.de/blog/2017/protest-vds-beginn#buendnis
– Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (PDF)
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/129/1812933.pdf
– „Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Recht“ und wird dennoch kommen
https://digitalcourage.de/blog/2017/vorratsdatenspeicherung-verstoesst-gegen-eu-recht-und-wird-dennoch-kommen
– Bundestagsgutachten: Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Recht:
https://digitalcourage.de/blog/2017/bundestagsgutachten-vorratsdatenspeicherung-verstoesst-gegen-eu-recht
– Mit Recht: Klage gegen Telefon- & Internetüberwachung eingereicht:
https://digitalcourage.de/blog/2016/klage-gg-vds-eingereicht
– Bundesverfassungsgericht will Vorratsdatenspeicherung 2017 nicht verhandeln:
https://digitalcourage.de/blog/2017/bundesverfassungsgericht-will-vorratsdatenspeicherung-2017-nicht-verhandeln

Digitalcourage:
Digitalcourage setzt sich seit 1987 für Datenschutz und Grundrechte ein und richtet seit 2000 die jährliche Verleihung der BigBrotherAwards aus. 2008 erhielt Digitalcourage die Theodor-Heuss-Medaille für besonderen Einsatz für die Bürgerrechte.