Die Gleichsetzung von Sicherheit und Überwachung ist gefährlich

Wird der Staat übergriffig, sind die Menschen, die darin leben, in Gefahr. Die Gleichsetzung von Sicherheit mit Überwachung und Repression muss aufhören! Denn ohne Freiheit gibt es keine Sicherheit mehr.

Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner für Polizeien und Geheimdienste, Datenbanken mit biometrischen Fotos und Fingerabdrücken von allen Menschen in der EU, „präventive“ Haft für „Gefährder.innen“ … Mit jedem Jahr, das vergeht, summieren sich die Gesetze, die angeblich zu unserer Sicherheit beschlossen werden, aber eigentlich nur eines sind: Übergriffe durch den Staat auf die Freiheit und Integrität seiner Bürgerinnen und Bürger.

Kaum eines dieser Gesetze wird je wieder zurück genommen. Aber es kommen laufend welche dazu. Hin und wieder werden sie auch mit Umweltschutz (Smart-Meter, Dieselzonen), fairer Entlohnung für die Kulturindustrie (Uploadfilter) oder Forschung (Medikamente, Marktforschung) begründet. Doch „Sicherheit“ ist der beliebteste Grund von allen. Nicht nur in der Politik, auch in der Wirtschaft und in den Medien. Kameras werden „aus Sicherheitsgründen“ installiert. Bevor man in ein Flugzeug steigt, muss man durch den „Security-Check“. Die Vorratsdatenspeicherung soll uns vor Verbrecher.innen schützen, die Polizeigesetze sollen „kriminelle Clans“ bekämpfen, das Anti-Terror-Gesetz Terroristen aufhalten, der Staatstrojaner auch.

Schluss mit dem Sicherheitstheater

Was uns als „Sicherheit“ verkauft wird, ist Repression, die uns bedroht. Dies geschieht auf Kosten der Sicherheit, um die sich real immer weniger Politiker.innen wirkliche Gedanken machen. Lassen wir uns nicht länger veräppeln!

Dahinter steckt überall der selbe falsche Gedanke: Dass uns anlasslose Überwachung angeblich sicher macht.

„Mutig warf sich die kleine Kamera zwischen Angreifer und Opfer.“

Rena Tangens

Warum ist das ein falscher Gedanke?

1. Weil anlasslose Überwachung gar nicht hilft.

Es handelt sich nur um Placebos, mit denen wir ein scheinbar beruhigtes Gewissen auf ein ungelöstes Problem legen. Denn auf diese Weise lässt sich besonders gut Betriebsamkeit vortäuschen. Doch Gewalt bekämpft man nicht mit Videoüberwachung und Terrorismus nicht mit der Vorratsdatenspeicherung. Wer Gewalt plant, setzt sich eine Mütze auf. Geschieht Gewalt aus dem Affekt heraus, wird sie auch von einer Kamera nicht verhindert.

2. Weil Überwachung gefährliche Nebenwirkungen hat.

Wir alle haben Geheimnisse. Und manche davon teilen wir aus guten Gründen nicht mit allen Mitmenschen. Wer will schon auf einer Doxing-Liste mit Privatadresse und Handynummer auftauchen? Welche Folgen haben die Informationen, die eine Dating-Plattform sammelt, wenn ein Staat beschließt, Homosexualität wieder zu kriminalisieren? Auch und gerade Daten in staatlicher Hand sind keineswegs sicher. Überwachung macht uns verwundbar.

3. Weil Freiheit und Demokratie der größte Garant für Sicherheit sind.

Überwachung schadet der Demokratie, weil sie Vertrauen untergräbt. Wer überwacht wird, ist nicht frei. Wer ständig beobachtet wird, passt sein Verhalten an. Sie oder er versucht zum Beispiel nicht aufzufallen. Mit Überwachung und Datenanalyse kann prinzipiell jede.r herausfinden, wie man Sie am besten manipulieren kann. Weil wir in einer Demokratie leben, müssen wir nicht mehr fürchten, ins Gefängnis zu kommen, weil wir im falschen Moment gehustet haben. Weil wir in Freiheit leben, können wir selbst bestimmen, wo wir leben, wen wir heiraten oder wann wir zum Arzt gehen. Das sind Dinge, die uns wirklich sicher machen. Wir sollten sie nicht aufgeben. Erst recht nicht im Namen der vermeintlichen Sicherheit. Richtig ist auch, dass man für die Freiheit ein gewisses Maß an Unsicherheit in Kauf nehmen muss. Doch verglichen mit dem Schutz, den uns die Freiheit gibt, ist das ein kleines Opfer. Was Überwachungs-Politiker gerne unterschlagen: Sicherheit kann niemand garantieren. Sicher ist nur: Das Leben endet immer mit dem Tod. Wir haben nur Einfluss darauf, wie lebenswert es bis dahin verläuft.

Abwehrrechte gegen den Staat

Die Grundrechte wurden 1949 im Bewusstsein der Greueltaten des Nationalsozialismus geschaffen. Das Grundgesetz sollte eine unverrückbare Grundlage dafür schaffen, dass es nie wieder Diktatur und Willkürherrschaft in Deutschland geben kann. Grundrechte schützen uns vor dem Staat und seiner Macht und sind deshalb die Voraussetzung, dass wir ihm diese Macht mittels Demokratie überhaupt übertragen. Denn alles andere wäre viel zu gefährlich. Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass es rote Linien gibt, die ein Staat nicht zu übertreten hat. Die Behauptung, in einer Demokratie seien anlasslose Datensammlungen, Einschränkungen der anonymen Internetnutzung und Telekommunikationsüberwachungen legitim, ist ein Zirkelschluss: Denn ein Übermaß dieser vermeintlichen Sicherheitsmaßnahmen schafft Demokratie und Rechtsstaat faktisch ab.
Wir sehen: Die Einhaltung der Grundrechte seitens des Staates bedeutet Sicherheit für alle Menschen im Land.
Eine Pflicht zum Schutz, wie sie viele Politiker.innen behaupten, gibt es wenn überhaupt nur zweitrangig nach der Achtung der Grundrechte. Im Grundgesetz gibt es kein „Recht auf Sicherheit“, wie immer wieder mal suggeriert wird. Das könnte auch niemand gewährleisten – Siehe 3.

RundV-Versicherungen

Nein, werte Überwachungsfanatiker, ihr macht uns nicht sicher. Ihr profitiert von der Angst, die ihr schürt, ohne den wirklichen Gefahren oder den wirklichen Ängsten der Menschen eine Beachtung zu schenken. Doch indem ihr die Gesellschaft verunsichert und an der Nase herumführt, untergrabt ihr das Vertrauen in die Demokratie. Damit macht ihr uns ganz sicher nicht sicher. Wer die Grundrechte schützt und stärkt macht uns sicher.

„Das Grundgesetz kennt keine Sicherheit, sondern nur Freiheit und Unfreiheit.“

Christoph Möllers, Verfassungsrechtler