Die Preisträger der BigBrotherAwards 2016
Die BigBrotherAwards bringen seit mehr als 14 Jahren die Manöver der dreistesten Datenkraken an die Öffentlichkeit. Die „Oscars für Datenkraken“ sorgen dafür, dass Menschen erfahren, was mit ihren Daten passiert. Möglich wird das durch die Arbeit vieler engagierter Menschen und durch Spenden. Danke an Alle, die die BigBrotherAwards 2016 mit einer Spende finanziert haben!
Die BigBrotherAwards 2016 gingen an:
- „Verfassungsschutz“
- change.org, Kampagnenplattform
- Berliner Verkehrsbetriebe BVG
- Generali-Versicherung
- IBM – für das Produkt „Social Dashboard"
Gewinner mit mehr und weniger Courage
Als einziger Preisträger hatte Change.org Deutschland die Courage, zur Preisverleihung zu kommen. Eine spannende Diskussion über den Datenschutz bei Change steht an.
Gastbeitrag von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Diesen Preis möchte wirklich niemand haben, denn er deckt Datenschutzverletzungen auf und macht sie öffentlich. Denn nichts scheuen Datenkraken mehr als Transparenz und das Licht der Öffentlichkeit. Das gilt für staatliche Institutionen genauso wie für Unternehmen. (…) Ich bin davon überzeugt, dass sehr viele Bürger nicht wollen, dass sie ausgespäht, überwacht und kontrolliert werden. Das geht jeden an, denn alle Daten werden gesammelt- ohne jeden Tatverdacht. Potentiell sind erst einmal alle IT - Nutzer und bald auch Flugpassagiere auf dem Weg in die Ferien nach Spanien, Italien oder die Türkei verdächtig. Das wollen wir nicht. (Justizministerin a.D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger)
Lifetime-Award: „Verfassungsschutz“
• Laudatio von Rolf Gössner für die Internationale Liga für Menschenrechte
Der Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ erhält rechtzeitig zum Eintritt ins Rentenalter den BigBrotherAward 2016 in der Kategorie „Lifetime“ für 65 Jahre Datenschutz- und Bürgerrechtsverletzungen:
Hinter dem irreführenden Tarnnamen „Verfassungsschutz“ steckt ein ideologisch geprägter Regierungsgeheimdienst mit geheimen Mitteln und Methoden wie V-Leuten, Verdeckten Ermittlern, Lockspitzeln, Lausch- und Spähangriffen und der Lizenz zur Infiltration, Täuschung und Desinformation - Mittel und Methoden, die gemeinhin als „anrüchig“ gelten und die sich rechtsstaatlicher Kontrolle weitgehend entziehen. Letztlich endet hier der demokratische Sektor - und genau das ist der Kern allen Übels. (Rolf Gössner)
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Wirtschaft: Change.org, Kampagnenplattform
• Laudatio von Peter Wedde vom Institut für Datenschutz und Sönke Hilbrans für die Deutsche Vereinigung für Datenschutz
Die US-Firma und Kampagnenplattform change.org erhält den BigBrotherAward 2016 in der Kategorie Wirtschaft für ihr Geschäftsmodell, personenbezogene Daten von Unterzeichner.innen zusammen mit deren politischen Meinungsäußerungen zu vermarkten:
Neben Name, Adresse und Mailadresse von Unterzeichnern sammelt das Unternehmen nämlich auch Informationen dazu, welche Petitionen konkret unterstützt wurden. Das Recht dazu räumt sich change.org durch seine Datenschutzbestimmungen ein. Aus den gesammelten Informationen lässt sich im Einzelfall etwa ableiten, welchem politischen, gesellschaftlichen oder sozialen Lager Personen zugerechnet werden können. (…) Die gespeicherten personenbezogenen Daten dienen vielmehr vorrangig dem Zweck, damit Kasse zu machen. Ehrlicherweise sollte sich change.org umbenennen in change.com. (Peter Wedde und Sönke Hilbrans)
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Technik: Berliner Verkehrsbetriebe BVG
• Laudatio von Rena Tangens für Digitalcourage
Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG erhalten den BigBrotherAward 2016 in der Kategorie Technik für ihre elektronische VBB-Fahrcard, auf der bei jedem Einsteigen Datum, Uhrzeit, Buslinie und Haltestelle abgespeichert wurden:
Aus den gespeicherten Einsteige-Haltestellen lassen sich Bewegungsprofile erstellen. Zehn Einträge konnten auf der Karte gespeichert werden. Und dieses Logbuch konnte tatsächlich von jedermann und jederfrau mit günstigem Equipment ausgelesen werden – ein NFC-fähiges Smartphone und die App Mytraq war alles, was gebraucht wurde. Und schon kann zum Beispiel der Freund die Karte der Partnerin auslesen und fragen „Warum bist du gestern so spät losgefahren, um den Lütten von der Kita abzuholen?“ oder „Was hast du eigentlich letztes Wochenende am Messegelände gemacht? (…) Wirklich vor die Wand gefahren hat die BVG die Angelegenheit aber mit ihrer Informationspolitik. Sie hat jahrelang die Kunden belogen. Sie hat beteuert, es sei technisch unmöglich, Bewegungsprofile auf den Karten zu speichern. Doch das ist falsch, und ohne den Fahrgastverband IGEB und die technischen Recherchen des Online-Magazins golem.de wüssten wir nicht, was da gelaufen ist.“ (Rena Tangens)
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Verbraucherschutz: Generali-Versicherung
• Laudatio von padeluun für Digitalcourage
Die Generali-Versicherung erhält den BigBrotherAward 2016 in der Kategorie Verbraucherschutz, weil sie ihren Versicherten Vorteile verspricht, wenn diese ihre Fitnessdaten und ihr Einkaufsverhalten per App oder Sportkleidung an die Versicherung weiter melden, die sie wiederum an ein Bonuspunkte-System nach Südafrika übermittelt:
Wir sollen also unsere höchst sensiblen Gesundheitsdaten an ein Unternehmen ausliefern, um danach bei weiteren, befreundeten Unternehmen einzukaufen. Und an wen gehen diese Daten dann genau? (…) Für ihr "Vitality-Programm" hat sich die Generali mit einem südafrikanischen Finanzunternehmen zusammengetan, die sich ein Programm namens "Discovery" ausgedacht haben. Hier laufen die Daten aus den Fitnesszentren hin, in denen Menschen trainieren, um ein paar Punkte zu bekommen. Über südafrikanische Datenschutz- und -sicherheitsgesetze ist uns hier recht wenig bekannt. Zumindest wissen wir, dass es kein Datenschutzabkommen von Europa oder Deutschland mit Südafrika gibt. Ob damit der Datenaustausch legal ist? Also ich bezweifle das. (padeluun)
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Arbeitswelt: IBM für das Produkt „Social Dashboard"
• Laudatio von Frank Rosengart für den Chaos Computer Club
Die Firma IBM erhält den BigBrotherAward 2016 in der Kategorie Arbeitswelt für ihre Software „Social Dashboard", mit der Firmen das Sozialverhalten von Angestellten kontrollieren und auswerten können:
Der "Social Score" setzt falsche Anreize: Belanglose "Likes" erhöhen den Punktwert, sinnlose Weiterleitungen verstopfen Email-Postfächer, die sowieso schon zu voll sind, und beliebte Links lenken ab von der eigentlichen Aufgabe. Und wer verhindert, dass sich meine Kollegen verabreden, mir ausdrücklich keine Likes zu geben? "Social Scores" öffnen die Tür zu neuen Mobbing-Formen und zu einem neuen Stressfaktor in der Arbeitswelt: Zusätzlich zur Erledigung der Aufgaben muss man jetzt auch noch darauf achten, nicht plötzlich im Sozialen Ranking abzurutschen. Wir möchten mit diesem Preis daran erinnern, dass eine Auswertung von Kommunikationsstrukturen und sozialen Graphen arbeitsrechtlich absolut heikel und bedenklich ist. (Frank Rosengart)
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Frühere Preisträger – Rückblick & Erfolge
Die BigBrotherAwards sorgen seit mehr als einem Jahrzehnt dafür, dass Überwachung, Privatsphäre und Datenschutz öffentlich diskutiert wird. Der „Oscar für Datenkraken“ (Le Monde) ging in den vergangenen Jahren unter anderem an: Amazon GmbH, den Bundesnachrichtendienst, Google Inc., RWE Vertrieb AG, CSC (Computer Sciences Corporation), Bundespolizei, ehem. Innenminister Hans-Peter Friedrich, ehem. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, Deutsche Post Adress GmbH & Co. KG und Apple Retail Germany GmbH. 2014 wurde zum ersten Mal der Positivpreis „Julia and Winston Award“ an Edward Snowden verliehen. Die Laudatio hielt Heribert Prantl, Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung.
Wir Danken
Kanal 21, Heiko Sakurei, Blue Sound, Gebrüder Neugebauer und Team der Hechelei, Ravensberger Spinnerei, Panthermedia, Palasthotel, teuto.net, Stratenwerth und Partner, Werner Lehmann, Art d'Ameublement, BvD – Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands, Bewegungsstiftung / Stiftung bridge, Chaos Computer Club, DGB Bildungswerk, DVD Deutsche Vereinigung für Datenschutz, FIfF – Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung, Heinrich Böll Stiftung, Internationale Liga für Menschenrechte, Sebastian Cobler Stiftung, teuto.net, cpp Studios sowie der Jury, der Technik-Crew, dem Auf- und Abbau-Team, der Büro-Team, dem Stream-Team, Hildegard Deppe von à table für das Catering und allen Helferinnen und Helfern!