Corona: Freiheiten im Internet stärken!

Zum physischen Schutz vor Covid-19 werden Grundrechte eingeschränkt. Das sollte mit Freiheiten im Internet kompensiert werden. Ein Kommentar zu acht notwendigen Maßnahmen.

Zum physischen Schutz vor Covid-19 werden Grundrechte eingeschränkt. Das sollte mit Freiheiten im Internet kompensiert werden.

Ergänzung vom 14. Mai 2020: Unseren Positionen zu Grundrechten und der Corona-Pandemie findet sich in diesen Texten: Menschenrechte achten – Corona ist kein Freibrief! vom 3. April 2020, Im Blick: Grundrechte und Corona-Maßnahmen vom 20. April 2020 (mehrfach aktualisiert) sowie im Text Corona und Grundrechte: Augenmaß statt Angst vom 8. Mai 2020. Mehr Informationen gibt es auf unserer Corona-Themenseite.

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Acht dauerhafte Maßnahmen zur Stärkung von Grundrechten im Internet

Massive Einschränkungen von Grundrechten sind derzeit in Kraft. Die Bedingungen dafür sind für die meisten von uns kaum bewertbar (mehr dazu unten). In Folge der Corona-Krise müssen Millionen Menschen ihre intimsten Aktivitäten in das Internet verlagern. Die Corona-Krise verschärft dadurch die Unverhältnismäßigkeit von Einschränkungen und Überwachung im Internet: Millionen von uns sind von intensiver staatlicher und gewerblicher Überwachung betroffen, weil ein erheblicher Teil des Lebens derzeit online stattfindet.     
Regierungen, Parlamente und Wirtschaft sollten diese Beschränkungen zumindest durch die dauerhafte Erweiterung von Freiheiten im Internet abmildern. Dazu gehören das Verbot von Tracking, Überwachungsmaßnahmen und Vorratsdatenspeicherungen einstellen, Netzneutralität durchsetzen, Zugangsbeschränkungen und Geoblocking aufheben und die Förderung von Open Data, Open Science und Freier Software.

1. Online-Tracking zurückfahren

Online-Tracking zurückfahren: In der Corona-Krise sind Menschen gezwungen, mehr Aktivitäten online zu verrichten. Sie verlagern ihr Arbeits-, Liebes- und Privatleben ins Internet. Folglich sind sie empfindlich in ihren Freiheitsrechten durch kommerzielles Online-Tracking eingeschränkt. Werbenetzwerke erfassen fast überall im Internet Klicks, aufgerufene Seiten und Standortdaten. In der Corona-Krise werden die Datenprofile der Nutzenden noch dichter und erdrückender. Anbieter, Nutzende, Gerichte und Gesetzgeber sollten das Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit (wikipedia.org) durchsetzen.
(Mehr zu kommerzieller Überwachung und verhaltensorientierter Werbung.)

2. Überwachung zurückfahren

Überwachung zurückfahren: Millionen von Menschen verlagern in der Corona-Krisensituation ihr intimes Leben ins Internet. Damit nimmt der Überwachungsdruck gegen alle zu, weil mehr Menschen und mehr Aktivitäten auf den Bildschirmen und in den Datenbanken von Überwachungsprogrammen auftauchen. (Unsere Themenseite zu staatlicher Überwachung)

3. Vorratsdatenspeicherungen stoppen

Vorratsdatenspeicherungen stoppen: Die Speicherung von Kommunikationsdaten (je nach Gesetz und Land: E-Mail-Daten, Telefon-Daten, Zeitangaben, Standortdaten, Internet-Daten etc.) auf Vorrat sollte beendet werden, weil der Überwachungsdruck gegen die Bevölkerung in der Corona-Krise zugenommen hat und darum unverhältnismäßig ist. Denn Menschen sind derzeit gezwungen, digital und damit unter Erfassung und Beobachtung in sensiblen Lebensbereichen mit Ärzt.innen, Lebenspartner.innen, Anwält.innen und Seelsorgern zu kommunizieren, viele Schutz- und Ausweichräume sind derzeit unzugänglich. (Unsere Themenseite zu Vorratsdatenspeicherung)

4. Netzneutralität durchsetzen

Netzneutralität durchsetzen: Jeder Internet-Dienst, jede App und jedes Programm, das online arbeitet muss gleich behandelt werden. Der Grundsatz der Netzneutralität ist ein Verbot von „Diskriminierung“ bestimmter Inhalte, Dienste oder Regionen. (Mehr Informationen bei epicenter.works)
 

5. Zugangsbeschränkungen aufheben

Zugangsbeschränkungen aufheben: Um möglichst vielen Menschen Zugang zu digitaler Kommunikation und Wissen zu ermöglichen, müssen weltweit kommerzielle (Verletzung von Netzneutralität), soziale (Zugang für alle Menschen und Menschengruppen) und gesetzliche Beschränkungen (dazu gehören einschüchternde Maßnahmen wie Zensur und Überwachung) des Zugangs zum Internet abgebaut werden.

 

6. Geoblocking aufheben

Geoblocking aufheben: Durch Geoblocking sind Inhalte vor dem Zugriff aus bestimmten Regionen gesperrt. Das heißt, eine Person in Frankreich kann keinen Beitrag in einer öffentlich-rechtlichen Mediathek in Deutschland anschauen. Während die physische Reisefreiheit weitestgehend aufgehoben ist, könnte die Internet-Reisefreiheit verbessert werden. (Mehr dazu auf wikipedia.org)

7. Open Data und Open Science fördern

Open Data und Open Science fördern: Alle Menschen sollten freien Zugang zu wissenschaftlichen Daten und Publikationen erhalten. (Mehr zu Open Science und Open Data auf wikipedia.org)

8. Freie Software fördern

Freie Software fördern: Freie Software ist ein klares Bekenntnis zu einer freien Welt –  innerhalb und auch außerhalb des Internets. Freie Software hilft, dass wir als Gesellschaft unabhängig kommunizieren und handeln können! (Mehr Informationen bei der Free Software Foundation Europe zu Public Code – Public Money)
 

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Hintergrund: Einseitige Corona-Grundrechte-Bilanz

Alle Menschen auf der ganzen Welt sind durch das neue Corona-Virus gefährdet. Wie genau sich das Virus verbreitet, wie es auf die Hitze des kommenden Sommers reagiert oder ob es langfristige Schäden bei genesenen Personen hinterlässt ist unklar. Die Datenlage ist auf Grund national und regional unterschiedlicher Erfassung, Testdichte und Einordnungen uneinheitlich und unvollständig. Regierungen und Parlamente müssen, auch wenn sie sehr eng mit der Wissenschaft zusammenarbeiten, auf Grundlage von Annahmen und Prognosen Entscheidungen treffen. Weil auch noch schnell gehandelt werden muss, sind viele der notwendigen Schutzmaßnahmen pauschal und schränken essentielle Grundrechte ein, selbst wenn Behörden nach Möglichkeit und Wissensstand bemüht sind, Freiheiten zu erhalten.

Die Einschränkungen von Grundrechten sind weltweit unterschiedlich umfassend. Menschen in Israel leben mit Ausgangsbeschränkungen von 100 Metern, in Frankreich sind es 1.000 Meter und in Deutschland, je nach Bundesland, 15.000 Meter (Sachsen, siehe mdr.de). Eingeschränkt werden unter anderem ebenfalls die Versammlungsfreiheit, die Reisefreiheit, die Religionsfreiheit und die Privatsphäre, wenn Menschen über Mobiltelefone getrackt werden.
Klar ist, dass diese Maßnahmen nur temporär sein dürfen. Ob sie verhältnismäßig sind, müssen Gerichte prüfen. Für die Bevölkerung, Parlamente und Regierungen ist die Verhältnismäßigkeit aktuell nur unscharf bestimmbar, weil die kurz-, mittel-, und langfristigen Gefahren des Corona-Virus nur abgeschätzt werden können.

Wir brauchen eine Überwachungs-Gesamtrechnung. Auf Grundlage dieser Bestandsaufnahme sollten die Freiheiten im Internet gestärkt werden. Die Durchsetzung digitaler Freiheiten würde die Grundrechte-Bilanzen aller Länder verbessern und vielen Menschen helfen, die Krise besser durchzustehen.

Wenn Sie sich informieren wollen über Grundrechte in Corona-Zeiten,  finden Sie in unserer Sammlung Chroniken, Übersichten und Analysen aus dem In- und Ausland.