Noch mehr Daten für Google? EU-Kommission prüft Übernahme eines Fitnessuhren-Herstellers

Google möchte den Fitnessuhren-Hersteller „Fitbit“ übernehmen. Verbraucherschutzverbände und EU-Wettbewerbshüter.innen haben große Bedenken. Wir auch: Diese Datenfusion muss gestoppt werden!

Am 1. November 2019 verkündete Google die Übernahme „Fitbits“, eines Herstellers von Fitnessuhren, für 2,1 Milliarden US-Dollar (ca. 1,9 Milliarden Euro). Die geplante Übernahme wurde der Europäischen Kommission am 15. Juni 2020 mitgeteilt. Daraufhin schalteten sich verschiedenste Verbände und Organisationen ein, um entweder eine Übernahme zu verhindern oder Bedingungen auszuhandeln, unter denen eine Übernahme datenschutz- und wettbewerbstechnisch legitim sein könnte. Die „European Digital Rights“-Vereinigung hat ihre Bedenken nun in einem offenen Brief zusammengefasst, den wir mitunterzeichnet haben.

Unterstützen Sie die gute Sache: Freiheit, Grundrechte und Demokratie.

Viele Menschen engagieren sich bei uns in ihrer Freizeit, seien auch Sie dabei!

Bleiben Sie auf dem Laufenden über unsere Arbeit und unsere Themen.

Googles Motivation und Ziele

Googles Motivation hinter der Übernahme lässt sich in zwei Bereiche unterteilen.

  1. Die Produktion eigener Hardware im Fitnessuhren-Sektor.
  2. Die Übernahme und von dem Zeitpunkt an eigene Generierung hoch privater Gesundheitsdaten der Nutzer.innen.

Beides läuft auf das Gleiche hinaus: Gesundheitsdaten sammeln.

Nachdem Apple seit einigen Jahren zeigt, wie lukrativ das Geschäft mit Gesundheitsdaten sein kann, will Google nun auch mit eigener Hardware in den Markt einsteigen. Google verkauft seit Längerem Software für Fitnessuhren: Nun könnten eigene Smartwatches dazukommen. Ähnliche Entwicklungen vom Software- zum Hardware-Produkt gab es bereits mit Chromebooks oder Pixel-Smartphones, wodurch Google immer stärker in Alltagsbereiche eindringt und seine Monopolstellung ausbaut.

Fitbit wurde durch seine Fitnesstracker bekannt, welche Daten wie Schrittzahlen oder Tiefschlafphasen aufzeichnen und daraus sowohl Fitness-Level als auch Fitness-Empfehlungen ableiteten. In den darauffolgenden Jahren kamen Messungen zur Herzfrequenz, der Atmung oder des Kalorienverbrauchs hinzu. Damit noch nicht genug: In die Geräte können darüber hinaus weitere Angaben eingetragen werden, zum Beispiel Informationen zum Menstruationszyklus oder Notizen, ob unverhüteter Geschlechtsverkehr praktiziert wurde. Diese Daten betreffen privateste und intimste Informationen über den eigenen Körper, die viele Rückschlüsse über die Person zulassen. Die so entstandenen Profile werden genutzt, um benutzerdefinierte Werbung zu generieren und durch personalisierte Anzeigen Geld zu verdienen. Von dem Kuchen möchte Google natürlich auch naschen!

Für das Streben nach Macht und den aggressiven Expansionscharakter haben wir Google in der Vergangenheit bereits einen BigBrotherAward verliehen. Kleines Ratespiel: Sie können ja mal das Datum der Laudatio verdecken und raten, in welchem Jahr sie gehalten wurde. Wer lieber zuschauen statt lesen möchte, darf auch die Übertragung in Bild und Ton genießen. Achtung Spoiler: Die Inhalte sind heute noch so aktuell wie damals.

Die Gefahren einer Übernahme

Wenn Google seiner enormen Datenbank nun auch die Gesundheitsdaten von Millionen Nutzer.innen zuführen kann, würde dies seine Monopolstellung weiter ausbauen. In einem anderen Artikel haben wir bereits ausführlich dargestellt, welche Gefahren die Macht der Digitalkonzerne mit sich bringt. Unter anderem sorgt ihre wirtschaftliche Größe dafür, dass sie als „Torwächter“ den Zugang anderer Unternehmen zum Markt kontrollieren. Das heißt: Andere, kleinere Unternehmen bekommen kaum eine Chance, sich zu behaupten oder zu bestehen, ohne von den Großkonzernen ausgebootet oder aufgekauft zu werden. Wenige Konzerne diktieren somit anderen Unternehmen und Nutzer.innen die Bedingungen der vernetzten Welt und üben zudem Einfluss auf Gesetzgebungen im nationalen und internationalen Kontext aus. Um diesen manipulativen, kommerziellen Einfluss zu stoppen, unterstützt Digitalcourage die Initiative „Konzernmacht beschränken“, die in diesem Jahr gestartet wurde und Vorschläge zur laufenden Reformierung des Wettbewerbsgesetzes (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) einbringt.

Aktueller Stand der Übernahme

Seit dem 15. Juni 2020 läuft das Prüfverfahren der Wettbewerbshüter der EU-Kommission zum Übernahmegesuch Googles von Fitbit. Nach der Anmeldung muss die Kommission in der Regel innerhalb von 25 Arbeitstagen entscheiden, ob sie das Vorhaben im Vorprüfverfahren (Phase I) genehmigt oder ein eingehendes Prüfverfahren (Phase II) einleitet. Einen ersten Erfolg gibt es bereits: Dass sich die EU-Kommission für eine eingehende Prüfung nach der EU-Fusionskontrollverordnung entschieden hat, legt Google erste Steine in den Weg. Das Ergebnis der Prüfung wird spätestens am 23. Dezember 2020 verkündet.

Das Prüfverfahren läuft zwar weitgehend hinter verschlossenen Türen ab, aber Teile der Verhandlung wurden veröffentlicht. Google versicherte von Beginn an, dass es mit den gewonnenen Daten transparent umgehen, die Daten niemals verkaufen und sie nicht für Werbezwecke verwenden werde. Diese Garantie reichte der Kommission jedoch nicht, weshalb Google am 13. Juli die Errichtung eines „Datensilos“ vorschlug. Hierin sollten Daten virtuell gespeichert und getrennt von den übrigen Datensätzen von Google aufbewahrt werden. Auch damit ließ sich die Kommission nicht besänftigen: „Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass das von Google vorgeschlagene Datensilo nicht ausreicht, um die zum gegenwärtigen Zeitpunkt festgestellten ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen der Übernahme endgültig auszuräumen. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, dass die in einem Datensilo bestehende Abhilfemaßnahme nicht alle Daten abdecken würde, zu denen Google infolge der geplanten Übernahme Zugang hätte und die für Werbezwecke geeignet wären.“ (Europäische Kommission, 04.08.2020)

Weitere Zugeständnisse Googles zeigen, wie wichtig dem Konzern die Übernahme von Fitbits ist, was laut Informant.innen Reuters, zu grünem Licht seitens der EU-Kommission geführt haben soll. Google versicherte beispielsweise, dass die Software auch weiterhin mit anderen Fitnessuhren-Herstellern kompatibel sei und Fitbit-Nutzer.innen weiterhin via APIs (application programming interfaces) Programme von Drittanbietern nutzen könnten. Andere Anbieter von Fitnessuhren-Herstellern sollen darüber hinaus, mit Zustimmung der Nutzer.innen, Zugang zu erhobenen Daten bekommen.

Was fordern Verbände?

Die Zugeständnisse gehen zwar in eine richtige Richtung, aber wie die tatsächliche Umsetzung funktionieren wird, ist fraglich. An dieser Stelle setzt der Brief an, der vom „European Digital Rights“-Verband (EDRi) initiiert und von Digitalcourage mitunterstützt wird. Die von 18 NGOs und Verbänden unterzeichnete Stellungnahme fordert weitere Garantien:

  1. Eine gesicherte Kompatibilität mit Android auch für andere Gerätehersteller
  2. Uneingeschränkter Zugang für Konkurrent.innen zu Fitbits Gesundheits- und Fitnessdaten unter hohem Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
  3. Die Vorbeugung einer sich weiter ausweitenden Marktherrschaft Googles in Sachen Online-Werbung
  4. Die Sicherstellung, dass die gemachten Zugeständnisse in der Praxis nicht umgangen und neutralisiert werden.

Werden diese Forderungen nicht erfüllt, würden große Schäden an der Gesellschaft riskiert.

Digitalcourages Meinung zur Übernahme und weitergehende Forderungen

Wir haben den offenen Brief mitunterzeichnet, weil wir die Forderungen unterstützen und Googles Monopolstellung verhindern möchten. Wir möchten betonen, wie wichtig die Kontrolle und Einhaltung der Zugeständnisse in den Verhandlungen sind. Allerdings sehen wir grundsätzlich jede weitere Ausdehnung eines Technik-Giganten wie Apple, Facebook, Amazon, Microsoft oder eben Google/Alphabet kritisch – auch unter Auflagen. Die sogenannten "GAFAM"-Konzerne haben eine Vormachtstellung erreicht, die nicht nur aus wettbewerbs- und datenschutzrechtlicher Perspektive höchst bedenklich und gefährlich ist, sondern demokratische Strukturen unterlaufen und Persönlichkeitsrechte angreifen kann.

Wir brauchen eine Reform des Wettbewerbsrechts, um Monopolstellungen langfristig anzugehen und Internetgiganten an die Leine zu nehmen. Mit der Initiative „Konzernmächte beschränken“ gehen wir wichtige Schritte, um Monopolstellungen zu verhindern und wir werden weiterhin daran arbeiten, dass unsere Liste mit Unternehmen, die zu Google gehören, nicht weiter verlängert wird.

Weitere Stellungnahmen zu Google und alternativen Möglichkeiten, finden Sie auf unserer Seite zur Digitalen Selbstverteidigung.

Datum: 21.10.2020
Text: Oliver Maier