Die Macht der Digitalkonzerne

Wenn wir es zulassen, können Digitalkonzerne nahezu alle Bereiche unseres Lebens kontrollieren. Warum wir unsere Macht nicht abgeben sollten.

Konzerne wie Google, Facebook & Co. dominieren die digitale Wirtschaft. Unter den Suchmaschinen hält Google einen Marktanteil von knapp 90 Prozent, Facebook dominiert mit 65 Prozent den Bereich der Sozialen Netzwerke, und fast 50 Prozent des deutschen E-Commerce-Umsatzes gingen 2018 auf Amazon zurück. Von dieser Dominanz profitieren die Konzerne nicht nur finanziell. Sie erhalten dadurch Macht, und das stellt ein Risiko dar: Ihre wirtschaftliche Größe lässt sie als „Torwächter“ den Zugang anderer Unternehmen zum Markt kontrollieren. Bereits jetzt stellen die Konzerne einen Großteil der gesamten digitalen Infrastruktur und diktieren anderen Unternehmen sowie Nutzer.innen die Bedingungen der vernetzten Welt. Sie erwirtschaften Profite und verschieben diese in Steueroasen. Ihre Geschäftsmodelle vernichten Arbeitsplätze und erhalten prekäre Arbeitsverhältnisse aufrecht. Mit Lobbyismus durchdringen sie die Politik, um strengere Regulierungen zu verhindern, die ihre Macht einhegen könnten. Die Größe der Digitalkonzerne ist zu einem Risiko für die Welt geworden: Sie haben zu viel Einfluss auf ihre Kund.innen, auf Technikgestaltung, auf Gesetzgebung und auf Mitbewerber. Als Teil der Initiative „Konzernmacht beschränken“ steht für Digitalcourage fest: Die Macht der Digitalkonzerne ist zu groß. Wettbewerbsverzerrungen durch die Machtkonzentration gefährden uns nicht nur als Verbraucher.innen: Unsere Demokratie steht auf dem Spiel.

Die Übermacht der Digitalkonzerne beeinflusst sowohl Ebenen des Marktes, als auch Bereiche unseres Privat- und Arbeitslebens. Die daraus entstehenden Gefahren wollen wir sichtbar machen. Welche Auswirkungen hat also die Machtkonzentration der Digitalkonzerne auf welche Bereiche unseres Lebens?

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Wettbewerbsverzerrungen

Google, Facebook, Amazon & Co. gehören zu den wertvollsten Unternehmen der digitalen Wirtschaft. Durch ihre Quasi-Monopolstellung hebeln sie den Wettbewerb aus, der sie selbst groß und mächtig gemacht hat. Hohe Gewinne auf einem Markt haben normalerweise den Effekt, dass viele neue Unternehmen auftauchen. Hier ist das Gegenteil der Fall: Die Dominanz und Marktmacht der führenden Internet-Konzerne verschafft ihnen eine „Torwächter“-Position. Für neue Unternehmen ist es zunehmend schwieriger, mit den bestehenden Angeboten zu konkurrieren. Die Etablierten beeinflussen, inwiefern neuen Unternehmen der Zutritt zum Markt gewährt wird. Durch ihre finanziellen Mittel haben sie die Möglichkeit, sich potentiellen Konkurrenten zu entledigen: Im Zweifel wird Konkurrenz aufgekauft oder durch Preisunterbietung vom Markt verdrängt. Start-ups wie YouTube und Instagram haben dem Druck nicht standgehalten und sich an Schwergewichte der Branche wie Google und Facebook verkauft. Der eingeschränkte Wettbewerb bei den führenden Konzernen führt zu aggressiven Innovations- und Expansionsstrategien. Neue Unternehmen haben unter diesen Bedingungen nur dann eine Chance, wenn sie ein völlig neues, noch nicht konsolidiertes Feld besetzen. Wecken diese Nischen das Interesse der großen Konzerne, werden auch sie aufgekauft.

Konzerne wie Google oder Amazon treten in einer Doppelrolle auf dem Markt auf: Sie sind sowohl Plattformbetreiber als auch Anbieter bestimmter Leistungen, mit denen sie in Konkurrenz zu anderen stehen. Dabei nutzen die Digitalriesen ihre Plattformen, um eigene Angebote zum Nachteil anderer Wettbewerber zu bevorzugen. So erhalten sie einen nahezu wettbewerbsfreien Markt aufrecht. Sie steuern die Rahmenbedingungen, senken Löhne und legen Preise fest, die weit über den Herstellungskosten liegen. Die fehlende Konkurrenz festigt die Position der Digitalkonzerne als moderne Oligarchen auf dem Digitalmarkt. Bei allem vordergründigen Lob des Marktes zeigt sich hier, dass der Markt nicht funktioniert. Und die Chefs der großen Konzerne wollen genau das: "Competition is for losers" (Wettbewerb ist nur was für Verlierer) schrieb Peter Thiel, Gründer von Paypal und Palantir, erster großer Geldgeber von Facebook.

Steuervermeidung

Die Geschäftsmodelle der Digitalkonzerne stellen weltweit Steuerbehörden vor Herausforderungen. Auch bei der Versteuerung der Unternehmensprofite nutzen die Konzerne die Vorteile ihrer Größe und der Globalisierung. Global agierende Unternehmen können Gewinne grenzübergreifend verlagern. Durch konzerninterne Kapitalverschiebung und andere Schlupflöcher des Steuerrechts können sie ihre Gesamtsteuerlast minimieren. Das Problem: Immatrielle Güter wie Suchmaschinen-Algorithmen bieten mehr Möglichkeiten zur Gewinnverschiebung als Autos oder Maschinen. Im Jahr 2016 konnte der Konzern Google auf diese Weise knapp 16 Millionen US-Dollar an eine Briefkastenfirma auf den Bermudas übertragen. Zusätzlich ist es den digitalen Konzernen leicht möglich, Umsatz zu erwirtschaften, ohne vor Ort zu sein. Die Online-Infrastrukturen machen vor keiner Staatengrenze halt, sodass Anknüpfungspunkte wie Niederlassungen im Inland zur klassischen Besteuerung fehlen. Google Werbung für Deutschland wird direkt aus steuergünstigen Staaten verkauft. Im Vergleich zu übrigen Konzernen zahlen Digitalkonzerne in Europa laut EU-Kommission dadurch nur die Hälfte an Steuern auf ihre Gewinne. Damit verstoßen die Digitalriesen nicht nur gegen Grundsätze der Steuergerechtigkeit. Steuervermeidung führt zu Haushaltseinnahmeverlusten der Staaten. Die Steuerminimierung der Konzerne und die Untätigkeit von Politik und Behörden gefährden die Finanzierung von öffentlicher Infrastrukur, Bildung und Gesundheitswesen und gehen zu Lasten der mittelständischen Unternehmen und Privathaushalte.

Macht über Infrastrukturen

Wenige Konzerne bilden die Eckpfeiler der vermeintlich egalitären und dezentralen Online-Welt: Die Macht der IT-Giganten beruht auch auf der Kontrolle von Online-Infrastrukturen wie digitalen Vertriebskanälen und der Daten- sowie Informationsverfügbarkeit. Konsumorientierter Handel und Werbung, Dienste und Geräte, Software und Lizenzen liegen in ihrer Hand. Als „mehrseitige“ Märkte bringen sie verschiedene Akteure auf ihren Plattformen zusammen: bei Amazon sind dies kaufende und anbietende Akteure, bei Google oder Facebook Nutzer.innen sowie Werbetreibende. Sie bestimmen dabei die Zugangsbedingungen ihrer Kanäle. Indem die Digitalkonzerne Marktplätze oder Interaktionsräume auf ihren Plattformen schaffen, legen sie die Nutzungsbedingungen fest und prägen Standards: Mit Regeln wie den AGB und Ranking-Parametern steuern sie die Nutzung ihrer Kanäle. Durch ihre Marktanteile und Reichweite setzen sie Standards für Werbung, Tracking und Kommunikation auf ihren Plattformen. Netzwerkeffekte treiben besonders kleine Anbieter in die Abhängigkeit: Je mehr Menschen oder Firmen eine Plattform nutzen, desto interessanter wird sie für weitere Nutzer.innen, Anbieter.innen oder Werbetreibende. Gerade im Buchhandel, dem anfänglichen Kerngeschäft von Amazon, kann sich kaum ein Verlag leisten, seine Bücher nicht auf Amazon anzubieten. Weil viele Betreiber der Online-Marktplätze gleichzeitig Nutzer.innen sind, steigt das Potential für Wettbewerbsbehinderungen durch Bevorzugung eigener Produkte und Dienste weiter.

Arbeitsmarkt und Arbeitsbedingungen

Neue Unternehmen schaffen überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze. Zahlreiche Fusionen der Digitalkonzerne führen dagegen zum Abbau von Arbeitsplätzen, nicht zuletzt aus dem Grund der Stellenüberschneidungen. Zudem sind Mitarbeiter.innen der Konzerne zum Teil prekären Beschäftigungsverhältnissen ausgesetzt. Ohnehin ist die Lohnquote in großen Unternehmen in der Regel niedriger als in kleinen. Das verursacht einen Rückgang des Arbeitnehmeranteils am Gesamteinkommen der Volkswirtschaft und verschärft Einkommensungleichheit. Weil Löhne der Preisbildung unterliegen, trafen die Konzerne Apple, Google, Intel und weitere Hightechfirmen im Jahr 2005 sogar Kartellabsprachen. Im Silicon Valley vereinbarten sie, sich gegenseitig keine Mitarbeiter abzuwerben, um Gehälter niedrig zu halten. Erst 2009 wurde diese Praxis durch das US-Justizministerium abgestellt.
Ein anderes Beispiel bietet der Konzern Amazon. Offizielle Zahlen belegen, dass an den Standorten neuer Amazon-Verteilzentren die Jahreslöhne in mehreren Regionen der USA zurückgehen. Amazon ist in den USA schon lange als „Lohndrücker“ bekannt. Der Konzern verweigert seit Jahren die Beteiligung an Tarifverträgen und blockiert kategorisch jeden Organisationsversuch von Arbeitnehmer.innen. Fest steht: Die mächtigen Digitalriesen fördern prekäre Arbeitsverhältnisse. Und das in einer Branche, in der Sub- und Subsubunternehmen Standard sind. Gängige Praxis ist auch, dass Konzerne wie Amazon oder die Taxi-Konkurrenz-Plattform Uber Arbeitnehmer.innen mittlerweile gar nicht mehr direkt anstellen. Als Privatpersonen erledigen Arbeitnehmer.innen unter prekären Arbeitsbedingungen Dienste im Auftrag von Amazon Flex oder Uber. Die Risiken tragen Arbeitnehmer.innen selbst: Sie müssen sich selbstständig versichern, bekommen nur einen geringen Stundenlohn, haben weder Garantie für Aufträge, noch für Kündigungsschutz. Mit diesem Modell setzen mächtige Konzerne jegliche arbeitsrechtlichen Regelungen außer Kraft. Der Grund, warum das funktioniert: Als einziger großer Arbeitgeber in bestimmten Regionen nutzen Konzerne die Macht, dass Arbeitnehmer.innen auf die Arbeitsplätze angewiesen sind.

Im Jahr 2015 hat Amazon zwei BigBrotherAwards von uns verliehen bekommen – den ersten in der Kategorie Wirtschaft, den zweiten in der Kategorie Arbeitswelt.

Macht der Datensammler

Die Macht der Digitalkonzerne beruht vor allem auf Daten. Google, Amazon, Facebook und ähnliche Unternehmen sind „Datensammler“. Wer in die digitale Welt eintaucht, der hinterlässt mehr oder weniger freiwillig Datenspuren. Verbraucher.innen verlieren dabei die Selbstbestimmung über die eigenen Daten. Konzerne sammeln diese und stellen damit Berechnungen an. Gerade bei „kostenlosen“ Online-Diensten darf nicht vergessen werden: „Wenn du für etwas nichts bezahlst, bist du nicht der Kunde, sondern das Produkt, das verkauft wird!“ Diese These von Andrew Lewis bringt eindrücklich auf den Punkt, dass wir mitnichten etwas geschenkt bekommen, sondern unsere Entscheidungsfreiheit aufgeben.

Digitalkonzerne gewinnen an Macht und Wohlstand, indem sie personenbezogene Daten sammeln und verkaufen, ohne dass sie dafür legitimiert wären - sie tun es einfach. Unsere Daten bilden die Grundlage für Verhaltensprofile, die die Werbewirtschaft, Versicherungen und andere Unternehmen den Datenkraken abkaufen. Datenverrechnende Algorithmen sind dabei keine neutralen Formeln, sondern Instrumente, um Profit zu erzielen. Das eigene Online-Verhalten könnte entscheiden, ob Kredite vergeben werden, welche Jobangebote ich sehe, welche Preise mir angeboten werden und wie hoch die Gebühren unserer Versicherung sind. Auf diese Weise verletzten die Digitalkonzerne an vielen Stellen unsere Persönlichkeitsrechte. Wenn Konzerne wie Google & Co Milliarden für die Verfeinerung ihrer Algorithmen und das Ausspionieren von Daten ausgeben, verdienen sie tiefstes Misstrauen. Um diese Geschäftspraktiken aufzudecken, verleiht Digitalcourage seit 2000 die „BigBrotherAwards“ an Datensünder – kein Wunder, dass sich unter den Preisträgern alle großen Digitalkonzerne wie Google, Facebook, Amazon & Co. finden.

Buchtipp

Buchtipp aus unserem Shop: Die Daten, die ich rief von Katharina Nocun.

Keine Wahlfreiheit, wenig Vielfalt

Datenschutz und Datensicherheit sind unter Bedingung des Wettbewerbs Verkaufsargumente. Ohne Konkurrenz besteht für die Digitalkonzerne jedoch kein Druck, mit diesen Argumenten zu punkten. Dass die Konzerne für die Nutzung ihrer Dienste Einwilligungen einfordern, erweckt nur den Anschein von Autonomie der Nutzer.innen. Diese Autonomie ist aber nur auf die Wahl zwischen Ja oder Nein begrenzt - und das heißt: friss oder stirb. Nein bedeutet, dass der Dienst nicht in Anspruch genommen werden kann. Dies kann zu Einschränkungen der Kommunikation und Teilhabe im Internet führen. Spätestens durch dieses Dilemma wird die Machtasymmetrie zwischen Unternehmen und Nutzer.innen sichtbar. Besonders problematisch ist es, wenn Nutzer.innen dann nicht auf vergleichbare Dienste anderer Anbieter ausweichen können. Oder zumindest nicht auf solche, die Persönlichkeits- und Datenschutzrechte stärker respektieren. In unserem Blogartikel Privatsphäre vs. Teilhabe versuchen wir trotzdem Auswege für Nutzer.innen zu erläutern.

Positive indirekte Netzwerkeffekte, die die Digitalkonzerne groß gemacht haben, begünstigen den Abbau von vielfälten Angeboten. Und auch sogenannte „Lock-In-Effekte“ sichern ihre Macht: Je mehr man einen Dienst in das eigene Leben integriert, desto höher wird die Abhängigkeit von ihm und die Hürde für einen Wechsel steigt. Aufeinander abgestimmte Produkte binden Nutzer.innen und Kund.innen an einzelne Unternehmen und deren Dienste. Konzerne wie Microsoft, Google und Apple versuchen sogar an Schulen ihre Macht auszuweiten und die Jüngsten an ihre Produkte zu gewöhnen. Genaues dazu beschreiben wir in der Artikelreihe „Datenschutz im Bildungswesen“. Indem sie Lehrstühle, Forschung und Universitäten infiltrieren, versuchen sie den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt an Konzerninteressen auszurichten. Die GAFAM-Konzerne können ihre Macht immer dann erweitern, wenn es ihnen gelingt, andere Akteure in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen.

Einfluss auf die Meinungsbildung

Wird die Vielfalt der Angebote eingeschränkt, ist auch das Internet nicht mehr frei und offen, sondern orientiert sich an profitorientierten Geschäftsmodellen. Die Internet-Dominanz von Google, Facebook & Co. ist für die freie Meinungsbildung und Meinungsäußerung kritisch. Ihre Algorithmen filtern sowohl Suchergebnisse als auch Statusmeldungen. Da Google und Facebook auch als Quellen für Informationen, Meinungen und aktuelle Nachrichten fungieren, aber an wirtschaftlichem Erfolg orientiert sind, kann es zu einer Art von Zensur kommen. Der Aktivist und ehemalige Geschäftsführer der NGO MoveOn.org, Eli Pariser, verweist in seinem Buch "The Filter Bubble" auf die Folgen und Gefahren, die mit der Wahrnehmung des Internets durch Filter einhergehen. Nutzer.innen geraten durch Algorithmen in Filterblasen, in denen angezeigte Informationen und Meinungen zum eigenen Online-Verhalten passen. Parisier warnt vor einem Leben in der Blase, in der vermeintlich alle unserer Meinung sind.

Dabei haben nur die Digitalkonzerne selbst Kontrolle über die Parameter. Besonders brisant sind dann Fälle wie die Datenweitergabe von Facebook an Cambridge Analytica. Durch die Möglichkeit, öffentliche Meinung und Wahlämpfe zu beeinflussen, wird der Plattformkapitalismus zur Gefahr für Institutionen der Demokratie.

„Das Interesse der Anbieter, Gewinn zu machen, verdrängt das Interesse der Gesellschaft, jede Art von Diskriminierung zu verhindern.“

Felix Stalder (2017), Professor für digitale Kultur und Theorien der Vernetzung

Überwachungskapitalismus

Konzerne wie Facebook, Google und Co. haben persönliche Daten kommerzialisiert und zur Handelsware erklärt. Dieses Geschäftsmodell benennt die Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff als Überwachungskapitalismus. Das Verhalten von Nutzer.innen ist die Rohstoffquelle in ihrem Geschäft mit Dritten. Nicht nur das Verhalten einzelner Nutzer.innen, sondern das Verhalten Vieler wird verdatet und verkauft. Intelligente Algorithmen sammeln, speichern und analysieren permanent Daten, um Vorhersagen zu erzeugen, die fortlaufend an Werbekunden der Konzerne verkauft werden. Das gilt sowohl für Online-Dienste als auch für unser „smartes Zuhause“. Der Überwachungskapitalismus schafft es, tief in unzählige Bereiche unseres Privatlebens einzudringen. Grundlage des Vorgehens ist die Aneignung von Rechten auf Verhaltensdaten und exklusives Wissen darüber, das Konzerne durch ihre Nutzer.innen erlangen. Es zeigt sich erneut die Asymmetrie von Macht und Wissen.

Wenige Unternehmen, die viele Daten horten, sind dabei eine größere Gefahr für unsere Bürgerrechte, als viele Unternehmen, die datensparsam arbeiten: Schon jetzt arbeiten Staaten mit Großkonzernen wie Amazon zusammen, um Überwachungsmaßnahmen umzusetzen – zum Beispiel bei Gesichtserkennungs-Technologie oder zu polizeilichen Zwecken. In unserer Überwachungsgesamtrechnung haben wir bereits erklärt, warum eine wachsende Anzahl an Überwachungsmaßnahmen die Demokratie gefährden kann.

Buchtipp

Buchtipp aus unserem Shop: Das Zeitalter des Überwachungs­kapitalismus von Shoshana Zuboff.

Wirtschaftliche Macht ist politische Macht

Mit der wirtschaftlichen Macht steigt auch der Einfluss der Digitalkonzerne auf nationale und internationale Politik. Lobbyisten der Konzerne haben längst die Politik durchdrungen, um politische Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Auf allen Ebenen versuchen sie Regierungen und politische Entscheidungsträger zu bearbeiten und sich als Experten und Berater unentbehrlich zu machen. Der Verein Lobbycontrol schreibt: „Nie zuvor haben Facebook und Amazon mehr Geld für Lobbyarbeit ausgegeben als 2019“. Ihre wirtschaftliche Machtstellung eröffnet den Digitalkonzernen ein enormes Erpressungspotential. Mit Hilfe der Androhung von Standortverlagerungen, Arbeitsplatzabbau oder Aussetzen von Finanzierung versuchen sie Gesetze zu bremsen oder in ihrem Sinne zu verändern. Wie rigoros die Konzerne zum Teil dabei vorgehen, wird durch die jüngsten Erpressungsversuche der Mitglieder einer EU-Expertengruppe durch Facebook deutlich, die Investigate Europe aufgedeckt hat. Facebook-Cheflobbyist Richard Allan hatte in Einzelgesprächen in den Kaffeepausen einzelnen Mitgliedern der Expertengruppe gedroht, die finanzielle Unterstützung ihrere Projekte einzustellen. Damit verhinderte er erfolgreich, dass die Forderung nach einer Sektorenuntersuchung in ein offizielles Gutachten aufgenommen wurde.

Darüber hinaus ermöglicht die Finanzkraft der IT-Konzerne den Einsatz global tätiger Anwaltskanzleien. Diese versuchen Gesetze und Entscheidungen nicht nur zu entschärfen, sondern Formulierungen einzuschleusen, die den Konzernen in die Karten spielen. Werden Regulierungen zu ihrem Nachteil durchgesetzt, drohen sie Regierungen vor privaten Investitionsgerichten mit Schadenersatzklagen. Mit attraktiven Angeboten kaufen sie hochrangige Politiker nach Ende ihrer Amtszeit ein. Damit versuchen sie, politischen Einfluss und Beziehungen für Konzerninteressen einzusetzen.

Neben der direkten Beeinflussung zielt die Lobbyarbeit der GAFAM-Konzerne auf Imagepflege. Gezielt versuchen die Digitalkonzerne das Wohlwollen kritischer Akteure zu erkaufen oder diese durch lockende Angebote gefügig zu machen. Der Konzern Google entwickelte das Programm „Google for Nonprofits“, durch das gemeinnützige Organisationen kostenlos auf Google Dienste zurückgreifen sollen. Durch Programme oder Angebote wie Stipendien für Journalist.innnen versuchen Facebook, Google & Co. Medien und Journalismus für sich zu gewinnen. Alles soll darauf hindeuten, wie gut und großzügig die Konzerne doch seien. Die Vergabe des BigBrotherAward an ZEIT ONLINE in der Kategorie Verbraucherschutz im Jahr 2019 veranschaulicht beispielhaft diese stille Beeinflussung. Da passiert in großem Stil das, was PR-Leute „Landschaftspflege“ nennen.

„Einige große Internetkonzerne besitzen heute mehr Macht, als uns lieb sein kann. Ich füge hinzu, mehr Macht als viele Staaten und Staatenlenker. [...] Ein Informationsmedium aufzubauen, braucht weltweite Regeln. Der Google-manipulierte Mensch kann nicht unsere Vision sein.“

Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, beim Global Media Forum 2014 der Deutschen Welle in Bonn

Fazit: Konzernmacht beschränken!

Die Begeisterung über die Möglichkeiten digitaler Innovationen und neuer Technologien ist berechtigt, darf aber nicht über ihre Gefahren hinwegtäuschen: Wenige Konzerne haben es geschafft den Markt für sich zu erobern und ihre Macht auf unterschiedlichen Ebenen zu festigen. All das macht deutlich, welche negativen Auswirkungen und Schäden die Machtkonzentration der Digitalkonzerne hervorruft. Dabei sind diese häufig das Resultat legaler Geschäftsmodelle. Auf Kosten des Wettbewerbs, der Verbraucher und unserer Demokratie. Deshalb müssen diese illegal werden! Die Politik muss klare Verhaltensregeln für marktbeherrschende Konzerne festlegen. Als Teil der Initiative „Konzernmacht beschränken“ fordern wir deshalb:

  • mehr Transparenz und Demokratie: Die Verabschiedung eines Lobby-Transparenzgesetzes mit Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters und eine partizipative Gestaltung der Gesetzgebung, um gleiche Zugangschancen zu ermöglichen.
  • die Stärkung öffentlicher Interessen: Gesellschaftliche Interessen müssen gegenüber Wettbewerbsinteressen im Kartellrecht als gleichwertig anerkannt werden. Dies muss auch für Fusionskontrollen gelten.
  • Möglichkeiten zur Zerschlagung übermächtiger Konzerne, um den Wettbewerb auf einzelnen Märkten wiederherzustellen („missbrauchsunabhängiges Entflechtungsinstrument“).
  • schärfere Fusionskontrollen, insbesondere die Stärkung des Parlaments bei Fusionsverfahren.
  • die Regulierung kommerzieller Plattformbetreiber, Auflösung der Monopole der Digitalkonzerne, Beschränkungen in der Datenverwendung.
  • niedrigere Marktanteile als Indiz für Marktdominanz: Eine Marktbeherrschung eines Unternehmens sollte bereits ab einem Marktanteil von 20 Prozent vermutet werden (heute: 40 Prozent).
  • die Einrichtung anonymer Beschwerdestellen: Einrichtung einer Streitschlichungsstelle, die anonym vorgebrachte Missbrauchsfälle untersucht, dokumentiert, ahnded und gegebenenfalls sanktioniert, noch bevor Fälle an das Bundeskartellamt weitergereicht wird.
  • die Herstellung von Markttransparenz: Transparenz im Hinblick auf Marktmacht, Besitz- und Firmenstrukturen, Verflechtungen, Patente und Wertschöpfungsketten sowie eine Transparenzpflicht der Tracking-Nutzung.
  • effektive Ausstattung der Wettbewerbsbehörden, inbesondere durch die Aufstockung personeller Kapazitäten.

Wenn Konzerne für ihre Schäden haftbar gemacht werden sollen, müssen gesetzliche Regulierungen eingreifen. Die Zielsetzung muss lauten: Rechte und die Macht der Konzerne zu beschneiden, Rechte und die Macht der Bürger.innen und Verbraucher.innen zu stärken. Die Modernisierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Noch hindern diese Gesetze die Konzernriesen nicht substanziell, weiter mit den von Nutzer.innen gesammelten Daten und systematischen Datenschutzverstößen gigantische Profite zu machen, Wettbewerber aus dem Markt zu drängen und Einfluss auf verschiedenste gesellschaftliche Bereiche auszuüben. Gesetze müssen in der Rechtspraxis auch wirksam durchgesetzt sowie schlagkräftig modernisiert werden. Deshalb fordert die Initiative „Konzernmacht beschränken“ in ihrer Kommentierung unter anderem folgende Aspekte zu ergänzen:

  • die Absenkung der Schwelle für den Nachweis der Marktbeherrschung bei Digitalkonzernen von 40 auf 20 Prozent,
  • die Beteiligung einer entsprechend ausgestatteten Datenschutzbehörde bei Fusionen mit Big-Data-Bezug,
  • eine rechtliche Grundlage für eine mißbrauchsunabhängige Entflechtung.

Zum Redaktionsschluss dieses Artikels befindet sich der Entwurf noch in der Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung. Die neue Fassung des GWB soll aber noch 2020 im Bundestag beschlossen werden. Wir bleiben dran!

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