Jugend gegen Chatkontrolle
Mit unserem europäischen Bündnis „Stop Scanning Me“ wollten wir der Frage nachgehen wie sich junge Menschen zu der Chatkontrolle verhalten, mit der die EU-Kommission sie vermeintlich schützen möchte. Als Chatkontrolle wird der Vorschlag der EU-Kommission bezeichnet, sämtliche private und öffentliche Kommunikation zu durchleuchten, durch Client-Side-Scanning die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auf Endgeräten auszuhebeln und mit erweiterten Uploadfiltern, mit Alterskontrollen für Onlinedienste und mit Netzsperren die freie Internetnutzung zu beschränken.
Konstantin Macher, Digitalcourage e.V., zu den Ergebnissen der Umfrage:
„Der Jugend ist ihr Recht auf Privatsphäre wichtig. Die Maßnahmen aus dem Überwachungspaket der von-der-Leyen-Kommission würde Jugendliche davon abhalten, sich politisch zu engagieren und ihre Persönlichkeit frei zu entfalten. Junge Menschen wollen keine Chatkontrolle und die EU-Kommission sollte jetzt darauf hören.“
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Jugend gegen Chatkontrolle
Die repräsentative Umfrage wurde von European Digital Rights (EDRi) und Mitgliedern der Piratenpartei im Europäischen Parlament in Auftrag gegeben. Sie zeigt klar: Jugendliche lehnen die Chatkontrolle ab.
- Die Befragung umfasste mehr als 8000 junge Menschen in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Belgien, der Tschechischen Republik, Spanien, Österreich, Schweden, Italien, Polen, Ungarn, der Slowakei und Griechenland.
- 66% der Befragten sind nicht damit einverstanden, dass Internetanbieter ihre digitale Kommunikation auf verdächtige Inhalte überwachen
- 80 % der Jugendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren aus 13 EU-Mitgliedstaaten würden sich nicht wohl dabei fühlen, politisch aktiv zu sein oder ihre Sexualität zu erkunden, wenn Unternehmen oder Behörden ihre digitale Kommunikation überwachen könnten, um nach sexuellem Kindesmissbrauch zu suchen.
- 67 % vertrauen auf verschlüsselte Kommunikations-Apps wie Whatsapp oder Signal
- 56 % halten ihre Anonymität für entscheidend für ihren Aktivismus und für die politische Organisation unter Gleichaltrigen
- 1 von 3 Befragten nutzt Kommunikations-Apps, Dating-Apps oder andere Apps, um intime Fotos zu versenden
- 43 % der Befragten forderten alternative Maßnahmen gegen die Gefahren des Internets wie "Verbesserung der Medienkompetenz und Aufklärung der Jugendlichen unter 18 Jahren über die Risiken und ihre angemessene Reaktionen darauf", während 37 % eine "Verbesserung der Mechanismen, mit denen junge Menschen Fälle von Grooming melden können, und Gewährleistung einer angemessenen und wirksamen Weiterverfolgung" forderten.
- Nur 2 % der Minderjährigen sind der Meinung, dass das Scannen der gesamten privaten Kommunikation auf schädliches Material das wirksamste und geeignetste Mittel ist, um sie vor Schaden im Internet zu schützen.
Feministische Digitalpolitik
Nur 2% glauben, dass das Scannen ihrer privaten Kommunikation ein geeignetes Mittel ist um sie im Internet zu schützen. Die anderen Wünschen sich zum Beispiel Aufklärung und Verbesserung von Medienkompetenz. Eine bessere Lösung, als die Überwachungspläne mit der Chatkontrolle vorsehen, bietet die feministische Digitalpolitik. Elina Eickstädt und Elisa Lindinger aus unserem Bündnis „Chatkontrolle STOPPEN!“ erklären in diesem verlinkten Artikel, was das bedeutet.
Wird die EU auf die Jugend hören?
Das vorgeschlagene Gesetz verspricht, Kinder vor sexuellem Missbrauch zu schützen, indem verschlüsselte, sichere Kommunikation ausgehebelt wird. Expert.innen zeigen jedoch, dass das Untergraben von Verschlüsselung das Internet für alle unsicherer machen würde und für die Privatsphäre und die freie Meinungsäußerung gefährlich ist. Dies gilt auch für die Kinder, die mit der Chatkontrolle vermeintlich geschützt werden sollten. So erklärte Joachim Türk, Vorstand des Deutschen Kinderschutzbunds zuletzt bei einer Anhörung im Bundestag, dass die Pläne weder verhältnismäßig noch zielführend sind. Dort erklärte er am 1. März: „Kinderrechte brauchen beides: das Recht auf körperliche Unversehrtheit, aber auch das Recht auf geschützte Kommunikation.”
Das Gesetzgebungsverfahren befindet sich in einer kritischen Phase. Diese Umfrage zeigt, dass junge Menschen die Massenüberwachungsmaßnahmen in der CSA-Verordnung ablehnen und ihr Anspruch auf ein sicheres und privates Internet geschützt werden muss. Das Europäische Parlament hat die Möglichkeit, die Stimme junger Menschen zu stärken und ihr Recht auf Selbstbestimmung zu gewährleisten. Der Deutschen Bundesregierung und dem Bundestag kommen dabei Schlüsselrollen zu.
Konstantin Macher, Digitalcourage e.V., fordert:
„Deutschland muss in der EU endlich auf einen effektiven Grundrechtsschutz hinwirken. Junge Menschen brauchen Privatsphäre und Sicherheit im Internet. Da sich das Bundesinnenministerium um eine klare Ablehnung der Chatkontrolle drückt, sollte der Bundestag jetzt endlich eine Resolution nach Artikel 23 des Grundgesetzes verabschieden und damit den Interessen der Jugendlichen Gehör verschaffen."
Nach Artikel 23 des Grundgesetzes kann der Bundestag Stellungnahmen zu europapolitischen Angelegenheiten beschließen. Diese sind rechtlich nicht bindend, müssen aber von der Bundesregierung in Verhandlungen auf EU-Ebene berücksichtigt werden. Das ist dringend nötig, um auf eine grundrechtskonforme Politik Deutschlands zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission hinzuwirken. Die EU sollte eine Alternative zur CSA-Verordnung anstreben, die Kinder schützt und gleichzeitig die Vertraulichkeit und Sicherheit im Internet wahrt.