Niederlande: Das Internet als grundrechtsfreier Raum?

Flächendeckende Überwachung, ein neuer Versuch, die Vorratsdatenspeicherung einzuführen und Ermittlungsbehörden, die das Internet im Wortsinn unsicher machen: die niederländische Regierung will die gleichen Fehler machen wie die bundesdeutsche. Text von Daphne van der Kroft von Bits of Freedom.

Niederlande: Das Internet als grundrechtsfreier Raum?

Text von Daphne van der Kroft von Bits of Freedom, übersetzt in englische Sprache von Jay Achterberg, deutsche Übersetzung Digitalcourage, Lizenz: Creative Commons BY-NC-SA 4.0

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Text in Englisch

Rasterfahndung für den Geheimdienst

Der niederländische Innenminister Ronald Plasterk veröffentlichte kürzlich eine Vorlage für die Neufassung des Geheim- und Sicherheitsdienstegesetzes (1). Dieses Gesetz wird den Geheimdiensten weitreichendste Befugnisse zur Überwachung der Bevölkerung geben. Es geht nicht nur um Telefongespräche, sondern auch um Chat-Nachrichten, E-Mails und darum, welche Website man besucht hat. Es ist zutreffend, dass das bestehende Geheim- und Sicherheitsdienstegesetz es den Diensten bereits erlaubt, bestimmte Zielpersonen zu überwachen, aber das neue Gesetz würde eine massenhaften Datensammlung erlauben. Dadurch werden Unschuldige von der Rasterfahndung erfasst.

Das ist nicht das einzige Problem mit diesem Gesetz. Es wird keine Beschränkung für den Austausch unserer Daten mit ausländischen Geheimdiensten geben. Das bedeutet: Unsere Daten können an fremde Geheimdienste weitergegeben werden, ohne dass der niederländische Geheimdienst den Inhalt der Datensammlung überhaupt kennen muss. Außerdem fehlt eine unabhängige, rechtlich bindende Aufsicht. Wenn das Aufsichtskomitee befindet, dass der Minister die Anwendung eines solchen Rasterfahndung unrechtmäßig erlaubt hat, kann sich der Minister einfach darüber hinwegsetzen – er ist nur dem Parlament gegenüber Rechenschaft pflichtig. Wir finden, die Aufsicht über die Geheimdienste sollte nicht allein Politikern überlassen werden.

Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung

Das niederländische Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wurde unlängst abgewendet (2). Unter diesem Gesetz sollten Aufenthaltsorte und Kommunikationsverhalten aller Bürger bis zu ein Jahr lang gespeichert werden. Ein Gesetz mit massiven Auswirkungen auf unsere Freiheit (3), wie auch die Richter bemerkten. Leider hat der Minister für Sicherheit und Justiz Van der Steur schon angekündigt, dass er ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorlegen will. (4). Wir werden dieses Gesetz mit Sicherheit genau im Auge behalten.

Hackende Ermittler

Derselbe Minister Van der Steur möchte die niederländischen Ermittlungsbehörden ermächtigen, Computer und Smartphones zu hacken (5). Ironischerweise wird das mehr Unsicherheit für die niederländischen Internetnutzer zur Folge haben, denn die Polizei braucht eine Sicherheitslücke oder Hintertür, um in die Software von Verdächtigen einzudringen. Nehmen wir an, die Polizei hätte die Fähigkeit, durch eine Hintertür in Outlook auf die E-Mails eines Verdächtigen zuzugreifen. Der Polizei wäre daran gelegen, dass diese HIntertür noch eine Weile offen bleibt. Unglücklicherweise wären auch die E-Mails aller anderen Outlook-Benutzer ungeschützt vor Kriminellen. Das Hack-Gesetz wird also das Gegenteil von IT-Sicherheit bewirken. Genau deshalb werden wir alles tun, was wir können, damit diese Hackbefugnisse vom Tisch kommen.

Europa ersetzt die das nationale Datenschutzgesetz

Die Verhandlungen über die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung nähern sich dem Abschluss (6). Die Ergebnisse dieser Verhandlungen werden auch auf die niederländischen Internetbenutzer anzuwenden sein. Die Auswerkungen werden offensichtlich immens sein. Gegenwärtlich untersuchen wir die Einflussnahme von Lobbyisten auf die niederländische Regierung und versuchen, die Machenschaften niederländischer Datenhändler aufzudecken.

Zum Schluss: die europäische Gesetzgebung zur Netzneutralität

Die Niederlande waren das erste Land in Europa, das ein Gesetz über Netzneutralität hatte (7). Darauf waren wir ziemlich stolz. Dieses Gesetz über Netzneutralität gab uns, den Internetznutzern, das Recht, selbst zu bestimmen, welche Dienste wir nutzen oder nicht nutzen wollen. Es half auch dabei, die europäische Gesetzgebung zur Netzneutralität zu entwickeln. Inzwischen nähern sich die europäischen Verhandlungen über dieses Gesetz dem Ende. Das Ergebnis wird wahrscheinlich nicht so konsequent sein wie unser nationales Gesetz, aber es ist wichtig für die europäischen Internetnutzer, im Word Wide Web so viel Wahlfreiheit wie möglich zu behalten.