Offener Brief

Vorratsdatenspeicherung beerdigen

Schon wieder soll der totgeglaubten Überwachungszombie Vorratsdatenspeicherung wiederbelebt werden. Die Zivilgesellschaft fordert von der Bundesregierung: Macht Schluss mit diesem unwürdigen Gezerre.

Diese Woche (1.–3. Juni 2022) findet in Würzburg die Frühjahrskonferenz der Innenminister.innen und -senator.innen (IMK) statt. Im Vorfeld des Treffens versuchen manche von ihnen und der Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch, der immer wieder für grundrechtswidrig erklärten Vorratsdatenspeicherung neues Leben einzuhauchen. Gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wenden wir uns gegen diese Pläne und appellieren an die Bundesregierung, endlich die Vorratsdatenspeicherung zu beerdigen.

Offener Brief anlässlich der Frühjahrskonferenz der Innenminister.innen und -senator.innen

An die Konferenz der Innenminister.innen und -senator.innen Bundesinnenministerin Nancy Faeser

Berlin, Bielefeld, den 30. Mai 2022

Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und der EU stoppen: Ein Ende für die anlasslose Massenüberwachung

Es ist nun mehr als zehn Jahre her, dass zehntausende Menschen in Berlin und anderen Städten gegen die Vorratsdatenspeicherung auf die Straße gegangen sind. In verschiedenen Gerichtsentscheidungen wurde sie seither für europarechts- und verfassungswidrig erklärt. Denn die anlasslose und flächendeckende Speicherung der Telefon-, Internet- und Ortsdaten von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern ist mit den Grundwerten einer freien und offenen Gesellschaft nicht zu vereinbaren.

Der späten Einsicht folgend, dass jeder Versuch einer grundrechtskonformen Massenüberwachung in einer Sackgasse enden muss, hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung endlich durch eine rechtssichere und anlassbezogene Lösung zu ersetzen. Konkrete Pläne, wie dieses Versprechen an die Bürgerinnen und Bürger umgesetzt werden soll, wurden aber leider bislang nicht vorgelegt.

Eine grundrechtsorientierte Sicherheitspolitik darf nicht immer wieder versuchen, die Grenzen des gerade noch verfassungsmäßigen auszureizen. Eine solche Politik führt nicht nur zu einer sukzessiven Aushöhlung rechtsstaatlicher Grundsätze, sondern in der Praxis auch zu jahrelangen Hängepartien, in denen die Rechtslage weder für die Bürgerinnen und Bürger noch für die Sicherheitsbehörden nachzuvollziehen ist.

Wir sehen mit großer Sorge, wie Regierungen einiger europäischer Staaten die Rechtsprechung des EU-Gerichtshofs seit Jahren nicht umsetzen und stattdessen Gesetze schaffen, die in entscheidenden Punkten nicht den Anforderungen des EU-Rechts auf Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger entsprechen. Diese Gesetze verstoßen teilweise gegen europäisches Recht und führen in der Praxis zu einer Massenüberwachung der Bevölkerung, die der EuGH wiederholt ausdrücklich verboten hat. Daran ändern auch Konzepte wie die geografisch „gezielte Vorratsdatenspeicherung“ , der pauschale Verweis auf die „nationale Sicherheit“ oder die generelle Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen nichts.

Wir fordern Sie daher auf, dem Spuk der Vorratsdatenspeicherung und dem unwürdigen Gezerre vor den Gerichten endlich ein Ende zu bereiten und sich auf nationaler wie europäischer Ebene für ein endgültiges Ende der grundrechtswidrigen Massenüberwachung einzusetzen.

Die Liste der unterzeichnenden Organisationen finden Sie auf der Seite der Digitalen Gesellschaft und im offenen Brief als PDF.

Unsere Klage unterstützen!

Wir warten unterdessen weiter darauf, dass über unsere Verfassungsbeschwerde entschieden wird, mit der wir das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung kippen wollen.
Unsere Verfassungsbeschwerde können Sie hier unterstützen.