EU-Abgeordnete gegen Chatkontrolle
Mitglieder des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten (LIBE) des Europäischen Parlaments haben heute gegen den Versuch von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson gestimmt, private und verschlüsselte Nachrichten in ganz Europa anlasslos und massenhaft zu scannen. Die Abgeordneten stellen sich damit gegen die Pläne zur Chatkontrolle. Wir begrüßen die Absage des EU-Innenausschusses an die Chatkontrolle und fordern von der Bundesregierung, die Chatkontrolle im Rat der EU abzulehnen.
Die Europaabgeordneten stimmten damit heute einem fraktionsübergreifenden Kompromiss zu, welcher von den Mitgliedern des EU-Innenausschusses und dem konservativen Berichterstatter Javier Zarzalejos (EVP) ausgehandelt wurde. Der Beschluss sieht weitgehende Änderungen vom ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission vor und bekennt sich zum Schutz von Verschlüsselung. Die Pläne der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson, anlasslos die Kommunikation der gesamten europäischen Bevölkerung zu überwachen, war auf massive Kritik gestoßen. Digitalcourage und weite Teile der Zivilgesellschaft warnen vor den gefährlichen Auswirkungen für die Demokratie, wenn die Chatkontrolle zum Gesetz würde. Sachverständige haben immer wieder betont, dass die Chatkontrolle mit Europäischen Grundrechten unvereinbar ist und die IT-Sicherheit von allen schwächt, ohne damit das versprochene Ziel erreichen zu können, Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen.
Auf der Kampagnenseite ChatkontrolleSTOPPEN! haben wir außerdem gemeinsam im Bündnis eine ausführlichere Analyse veröffentlicht.
Wenn das Europäische Parlament keinen Einspruch gegen die Position des zuständigen Ausschusses einlegt, kann auf dieser Grundlage in die Trilogverhandlungen eingetreten werden. Im Trilog verhandeln das Europäische Parlament und der Rat der EU (die Vertretung der Regierungen der EU-Mitgliedsländern, auch Ministerrat genannt). Der Rat der EU hat noch keine eigene Position verabschiedet. Dort wurden bisher schon zwei Abstimmungen über das geplante Gesetz abgesagt, weil es unter den Regierungen keine Mehrheit für die Chatkontrolle gibt. Die Ampel hatte sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, private Kommunikation und die anonyme Internetnutzung zu schützen. Die Bundesregierung muss daraus folgend im Rat der EU gegen die Chatkontrolle stimmen.
„Jetzt ist die Bundesregierung gefragt. Sie muss im Rat der EU darauf bestehen, die Chatkontrolle zu stoppen, Verschlüsselung zu schützen und beim Schutz von Grundrechten nicht hinter der Position des Parlaments zurückzufallen.“
– Konstantin Macher von Digitalcourage e.V.
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Die Gesetzgebung zur Chatkontrolle wurde überschattet von mehreren Skandalen der zuständigen EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Eine internationale Recherche hatte gezeigt, wie eng Vertreter von KI-Unternehmen, welche von der Chatkontrolle finanziell profitieren würden, in die Ausarbeitung des Gesetzes eingebunden waren. Außerdem wurde bekannt, dass die EU-Kommission versucht hat, Druck auf kritische Regierungen auszuüben. Dafür soll sie auf Sozialen Medien Menschen anhand ihrer religiösen und politischen Ansichten gezielt mit Desinformation ins Visier genommen haben, um die öffentliche und politische Meinung in den Mitgliedstaaten zu manipulieren, in denen sich die Regierungen dem Gesetz widersetzen. Kritiker.innen haben immer wieder davor gewarnt, dass die Infrastruktur zur Massenüberwachung, welche mit der Chatkontrolle aufgebaut werden soll, auch für andere Zwecke als für die Suche nach Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern verwendet werden könnte, mit der sie bisher begründet wird. Die Investigativrecherche hatte belegt, dass Europol bereits Gespräche mit der EU-Kommission über eine Ausweitung der Chatkontrolle geführt hat.
Auch die heute abgestimmte Position der Europaabgeordneten enthält noch problematische Teile, z.B. verpflichtende Alterskontrollen für Pornoplattformen. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission, im Internet flächendeckende Alterskontrollen einzuführen war genauso wie die massenhafte Durchleuchtung privater Nachrichten auf Kritik gestoßen, weil damit die anonyme Internetnutzung unmöglich gemacht werden könnte. Es ist darum als Erfolg zu sehen, dass das Europäische Parlament auch hier auf die Kritik der Zivilgesellschaft gehört hat und vom ursprünglichen Vorschlag abweicht. Trotzdem bleiben verpflichtende Alterskontrollen auch in der eingeschränkten Fassung problematisch und für das erklärte Ziel ungeeignet.