Befreien Sie Ihr Smartphone!

Ihr Smartphone weiß alles. Es kennt Ihre Vorlieben und Schwächen – und verrät sie Google oder Apple, wenn Sie das nicht verhindern. Verhindern Sie es!

Diese Anleitung bezieht sich vor allem auf Android-Smartphones. Mit den richtigen Einstellungen verhält sich ein Androidhandy einigermaßen datenschutzfreundlich. Beim iPhone ist das schwierig bis unmöglich. Freie Software ist in Apples Appstore kaum zu finden, und andere Appstores sind nicht zugelassen. Auch alternative Betriebsysteme gibt es nicht. Einige Tipps – zum Beispiel zu Synchronisation, Konten und Werbung – können jedoch auch auf Applegeräte angewendet werden.

Wer ein Smartphone kauft, dem gehört das Gerät. Die Hoheit über die Software wollen Betreiber und Hersteller allerdings am liebsten behalten. Dann senden Apps wie Facebook oder WhatsApp alle paar Minuten den aktuellen Standort an Meta, denn das Handy hat man ja fast immer dabei. Vielleicht haben Sie auch schon erlebt, dass eine simple Taschenlampenapp Zugriff auf Ihr Telefonbuch verlangt und haben sich gefragt, ob das wirklich sein muss.

Viele Apps greifen unnötig auf Daten zu. Die Erlaubnis dafür wird – oft erzwungenermaßen – bei der Installation der App eingeholt oder beim Einrichten des Geräts. Wer nicht zustimmt, kann die App in der Regel nicht verwenden. Auch die Hersteller des Geräts und des Betriebssystems sowie der Telefonanbieter zapfen Daten ab. Beispielsweise kopiert Google regelmäßig umfangreiche Datensätze: Ihre Passwörter, die WLAN-Passwörter Ihrer Freunde, Ihre Adressbücher, Ihren Aufenthaltsort und welche WLANs es dort gibt, und und und.

Falls Ihnen so viel Neugier suspekt vorkommt, hier die gute Nachricht: Sie können etwas dagegen tun.

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Inhalt

1. Grundsätzliches
2. Unerwünschtes loswerden

3. Freiheiten ausbauen

4. Ausblick

1. Grundsätzliches

Abhängig davon, wie viel Energie Sie in die Freiheit Ihres Smartphones stecken möchten und wie gut Sie sich auskennen, stehen Ihnen unterschiedliche Möglichkeiten offen. Bevor es richtig losgeht, hier einige grundlegende Tipps:

  • Sichern Sie Ihr Smartphone mit einem Sperrcode. Der sollte aus Ziffern oder Buchstaben bestehen. Nehmen Sie kein Muster, bei dem Sie auf dem Touchscreen irgendwelche Punkte miteinander verbinden, denn wenn man die Oberfläche schräg gegen das Licht hält, sind Wischspuren gut zu erkennen. Auch biometrische Merkmale bieten zu wenig Schutz, wie der Chaos Computer Club bei der Iriserkennung des Samsung Galaxy S8 gezeigt hat.

  • Sichern Sie regelmäßig Ihre Daten. Was Sie auf dem Smartphone speichern, könnte nicht nur für unerwünschte Zwecke verwendet werden, sondern bei Diebstahl, Verlust oder Zerstörung des Geräts komplett verloren gehen. Viele Apps haben Sicherungs- oder Exportfunktionen für ein Backup. Wie Sie das datensparsam erstellen, erklären wir in einem separaten Artikel.

  • Löschen Sie nicht mehr benötigte Dateien. So gelangen im Ernstfall weniger Daten in falsche Hände.

  • Widersprechen Sie der Nutzung Ihrer Verbindungsdaten. Ihr Mobilfunkprovider analysiert Verbindungsdaten zu undurchsichtigen Zwecken. Dem können Sie bei der Telekom und bei O2/Telefonica online widersprechen, Vodafone müssen Sie einen Brief schreiben.

2. Unerwünschtes loswerden

Wenn Sie ein Samsung-Smartphone mit Android haben und dazu einen Vertrag mit Vodafone, stehlen Ihnen gleich drei Unternehmen die Daten: Google sowieso, Samsung über firmeneigene Anpassungen in Android und Vodafone über standardmäßig installierte Apps. Bei anderen Anbietern ist das ähnlich.

Synchronisation einschränken und Konten löschen

Als ersten Schritt sollten Sie alle Konten löschen, die Sie nicht brauchen.

Für Fortgeschrittene: Wir empfehlen, das Googlekonto komplett zu löschen. Dann können Sie zwar den Google Play Store nicht mehr benutzen, doch für den gibt es Alternativen (s. u. F-Droid).

Kontakte und Termine auf verschiedenen Geräten lassen sich datengeschützt synchronisieren. E-Mail-Provider wie Posteo.de und Mailbox.org bieten das an. Dazu installieren Sie zum Beispiel das kostenlose DAVx⁵ aus dem F-Droid-Store. Oder Sie installieren es auf dem eigenen Server, gemäß der Beschreibung auf der DAVx⁵-Website.

Apps löschen oder deaktivieren

Es empfiehlt sich, Apps zu löschen oder zu deaktivieren, von denen unklar ist, was sie tun oder die Sie nicht benutzen. Falls Sie anhand des Namens nicht herausfinden, was eine App macht, versuchen Sie es mit dem Paketnamen. Der steht in der App-Info und lautet zum Beispiel com.zhiliaoapp.musically oder com.king.candycrushsaga.

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Eine App will sich nicht löschen lassen? Darüber ärgern Sie sich zu Recht. Es ist eine Frechheit, dass Sie über Ihr eigenes Gerät keine Kontrolle haben. Pflegen Sie diesen Ärger! Er motiviert Sie, Ihr Gerät zu befreien, selbst wenn das Nerven kostet.

Werbung und Tracker blockieren

Die meisten Apps aus dem Play Store stecken voller Werbung und Trackingmodule. Wer auf solche Apps nicht verzichten kann, sollte AdAway installieren. Diese App blockiert Werbung und Tracker auf Ihrem Gerät. Welche Apps Module neugieriger Drittanbieter enthalten, finden Sie mit Exodus-Privacy heraus.

NewPipe ist ein einfacher, effizienter Zugang zu YouTube, der die Werbung vor oder in den Videos gleich mit blockiert. Weiterer Vorteil: Man kann ohne Googlekonto Kanäle abonnieren und Videos speichern.

Netzwerkweites Blockieren von Werbung, auch beim iPhone: Mit einem DNS-Server von dnsforge.de oder dismail.de blockieren Sie Werbung und Tracking auf Ihren Geräten oder sogar im gesamten Netzwerk.

Abschied vom Google Play Store

Gute Apps gibt es nicht nur im Play Store, der ja nur mit einem Googlekonto funktioniert. Der alternative App-Store F-Droid bietet ausschließlich freie Software an. Er hat Apps für die wichtigsten Funktionen und sogar einige Spielereien. Sämtliche Vorteile, eine Installationshilfe und empfehlenswerte Apps finden Sie in einem gesonderten Artikel.

3. Freiheiten ausbauen

Die Software verwalten („rooten“)

Rooten Sie Ihr Smartphone. Das bedeutet, dass Sie Administrator.in Ihres Handys werden, genau wie am PC oder Laptop. Dann haben Sie alle Freiheiten, allerdings auch die Verantwortung. Gehen Sie umsichtig damit um. Doch keine Sorge: Vor Aktionen mit gravierenden Auswirkungen werden Sie gefragt, ob Sie es ernst meinen. Wenn eine App plötzlich Adminstratorrechte haben will – bei Android nennt sich das „Superuser-Rechte“ –, sollten Sie hellhörig werden.

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Wenn Sie Ihr Handy gerootet haben, können Sie auch Programme entfernen oder deaktivieren, bei denen das sonst nicht möglich ist, zum Beispiel die verhasste und meist überflüssige Bloatware. Vor allem aber können Sie nützliche Programme installieren, die ohne Rootrechte nicht oder nur eingeschränkt funktionieren. So können Sie vollständige Backups erstellen oder einen Werbeblocker installieren, der keine VPN-Schnittstelle braucht, um Ihr Handy vor unerwünschter Werbung zu schützen.

Das Rooten eines Handys ist von Hersteller zu Hersteller verschieden. Das (englischsprachige) Wiki von LineageOS hat Anleitungen für viele Geräte. Ansonsten suchen Sie einfach mit ihrer Lieblingssuchmaschine nach der Bezeichnung Ihres Smartphones und „rooten“.

Achtung:
Mit dem Rooten Ihres Smartphones gehen Sie ein Risiko ein. Es besteht die Gefahr, dass Sie Ihr Gerät softwareseitig unbrauchbar machen. Sehr groß ist diese Gefahr aber nicht, und die Gewährleistung der Hersteller bei Hardwaredefekten bleibt erhalten, auch wenn anderslautende Gerüchte nicht totzukriegen sind.

Wollen Sie das Rooten vermeiden, finden Sie bei Mike Kuketz eine Anleitung, mit der Sie zumindest teilweise Kontrolle über Ihr Smartphone erlangen.

Ein anderes Betriebssystem

Wenn Sie noch mehr Macht über Ihr Smartphone haben möchten, können Sie ein anderes Betriebssystem installieren. Solche alternativen Smartphone-Betriebssysteme nennt man auch „Custom ROM“. Einige davon stellen wir hier vor:

  • LineageOS ist eines der am weitesten verbreiteten Custom ROMS und unterstützt viele Geräte. Häufig bauen andere Custom ROMs auf LineageOS auf.
  • Resurrection Remix OS bietet viele Anpassungsmöglichkeiten und vereint Features von LineageOS und OmniROM.
  • /e/OS ist ein Betriebssystem auf Basis von LineageOS. Es wird von der französischen Stiftung e Foundation entwickelt und ist angeblich komplett googlefrei. Die Stiftung verkauft unter dem Namen "Murena" Smartphones mit vorinstalliertem /e/OS und einer Auswahl an Apps, die Googledienste durch freie Alternativen ersetzen. Dadurch soll der Wechsel möglichst einfach sein.
  • CalyxOS legt nicht nur Wert auf Datenschutz, sondern ausdrücklich auch auf Barrierefreiheit und hat entsprechende Apps vorinstalliert.
  • GrapheneOS läuft nur auf Googles Pixel-Smartphones. Es ist besonders resistent gegenüber Angriffen.

FreeYourAndroid

Die Free Software Foundation Europe hat in der schon etwas älteren Kampagne Free your Android, die auch wir unterstützt haben, alles Wichtige zusammengetragen. Mike Kuketz und andere haben in der Artikelserie Android ohne Google: Take back control! ein paar exzellente Anleitungen dazu geschrieben.

4. Ausblick

Smartphones sind komplex, die Software entwickelt sich rapide. Wir prüfen und ergänzen unseren Artikel zum Umgang mit dem Smartphone immer wieder. Die hier genannten Tipps verhelfen zur Kontrolle über das eigene Gerät.

Letzte Änderungen:

    1. 11.2022: umfassende inhaltliche Überarbeitung
  • 28.10.2022: inhaltliche Überarbeitung und Ergänzung, Umstrukturierung
  • 16.09.2020: Weitere Hinweise zum Fairphone 3 und /e/.

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Hinweis: Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, auch nicht durch unsere Empfehlungen. Programme können unentdeckte Fehler haben, Datenschnüffeltechniken entwickeln sich weiter. Bleiben Sie wachsam!
Der Artikel ist auf dem Stand vom 28.10.2022. Sollten Sie Fehler finden, Ergänzungen haben oder Empfehlungen bei Ihnen nicht funktionieren, geben Sie uns Bescheid.

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