Digitalcourage-Jahresbericht 2014/2015

Im Jahr 2014 haben wir viel erreicht: Strafanzeige gegen die Bundesregierung, BigBrotherAwards, Arbeit gegen die Vorratsdatenspeicherung und vieles mehr…
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Ein Teil des Digitalcourage-Teams mit einem Banner: „Grundrechte sind keine Verhandlungsmasse!“
Digitalcourage-Jahresbericht 2014/2015

Seit mehr als 25 Jahren macht sich Digitalcourage (früher FoeBuD e.V.) für Grundrechte, Datenschutz und eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter stark. Wir wehren uns dagegen, dass unsere Demokratie „verdatet und verkauft“ wird. Wir klären auf und mischen uns kompetent und kreativ in Politik und öffentliche Diskurse ein. Seit 2000 verleihen wir jährlich die BigBrotherAwards. Digitalcourage arbeitet gemeinnützig, finanziert sich durch private Spenden und lebt durch die Unterstützung vieler Freiwilliger.

Strafanzeige gegen die Bundesregierung

Im Februar 2014 haben wir zusammen mit der Internationalen Liga für Menschenrechte und dem Chaos Computer Club Strafanzeige gegen die Bundesregierung und Geheimdienste erstattet. Mehr als 2.700 Menschen haben sich der Strafanzeige angeschlossen. Bis heute hat Generalbundesanwalt Harald Range nichts unternommen. Unsere Anwälte bleiben dran und erneuern die Strafanzeige.

BigBrotherAwards 2014

Bereits zum 14. Mal haben wir im April 2014 die BigBrotherAwards verliehen. Der Datenschutz-Negativpreis ging unter anderem an LG für spionierende Fernsehgeräte, an die Computer Sciences Corporation (CSC) für das Organisieren von Massenüberwachung und Entführungen und an das Bundeskanzleramt für geheimdienstliche Verstrickungen im NSA-Überwachungsskandal. Erstmals haben wir in diesem Jahr einen Positivpreis verliehen. Dieser ging an Edward Snowden für die Aufklärung der Öffentlichkeit über die massenhafte Überwachung durch Geheimdienste. Die Laudatio für Edward Snowden hielt Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung. Dotiert hatten wir den Preis mit einer Million Aufklebern "Asyl für Snowden", die wir in der ganzen Republik verteilt haben, damit die Politik aus den Enthüllungen von Snowden Konsequenzen zieht.

Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gekippt

Am 8. April 2014 hat der Europäische Gerichtshof die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt – ein riesiger Erfolg für die Datenschutzbewegung in Europa. Geklagt hatten befreundete Organisationen aus Österreich und Irland. Rena Tangens war für uns bei der Anhörung in Luxemburg vor Ort und wurde von der ARD begleitet. Am Tag der Urteilsverkündung berichteten die Tagesschau sowie die Tagesthemen über uns. Weitere Informationen finden Sie auf der Digitalcourage-Themenseite zur Vorratsdatenspeicherung.

For..Net Award für Digitalcourage

Für Innovation im Datenschutz bekamen wir von der Universität Passau und der AG 5 des Nationalen IT-Gipfels einen Sonderpreis für unser Engagement verliehen. „Die Jury hat vor dem Hintergrund aktueller Geheimdienstskandale entschieden, das herausragende ehrenamtliche Engagement von Digitalcourage e.V., zu honorieren“, heißt es in der Begründung.

Demo in Berlin: „Freiheit statt Angst“

Im August 2014 haben zum neunten Mal tausende Menschen auf der „Freiheit statt Angst"-Demonstration in Berlin gegen den ausufernden Überwachungsstaat demonstriert. Mehr als 80 Organisationen haben zum Protest aufgerufen, darunter Amnesty International, die Humanistische Union, der Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung, Attac Deutschland, der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, die Katholische junge Gemeinde, der Deutsche Fachjournalisten-Verband und der Chaos Computer Club. Sprecher.innen auf der Demo waren unter anderem der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, der IT-Sicherheitsexperte und Tor-Pionier Jacob Appelbaum, Matthias Spielkamp von Reporter ohne Grenzen, Annegret Falter vom Whistleblower-Netzwerk und Christoph Bautz von Campact.

Gewonnen! Panterpreis der taz

Im September erhielten wir den Panterpreis der Tageszeitung taz, der jährlich an „Heldinnen und Helden des Alltags“ vergeben wird. Zu unserer Freude hatten uns gleich mehrere Menschen für den Preis vorgeschlagen. In ihrer Laudatio lobte Selmin Çalışkan, Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International, unsere „Weitsicht und Beharrlichkeit". Den Publikumspreis erhielt „Women in Exile“ – wir gratulieren! Auch die anderen Nominierten, die wir bei der Preisverleihung persönlich kennengelernt haben, waren beeindruckend.

Kampagne: Asyl für Edward Snowden

Im Sommer 2014 haben wir mit verschiedenen Aktionen Edward Snowden unterstützt. Bei unserer bundesweiten Aktion „Ein Bett für Snowden“ in Kooperation mit Campact und dem Whistleblower-Netzwerk haben mehr als 40.000 Menschen Snowden eine Unterkunft bei sich zu Hause angeboten. Mehr als 200.000 Menschen forderten die Bundesregierung in einem Appell auf, dem Whistleblower sichere Zuflucht in Deutschland zu gewähren. Im Hintergrund verpackten und verschickten bei uns in Bielefeld viele freiwillige Hände palettenweise Aufkleber, die europaweit auftauchten. Im November hatten wir die Million voll und unser Aufkleber-Motiv wurde zum Sinnbild für die Forderung nach Asyl für Snowden. Auf unserer Website gibt es eine Fotogalerie mit den schönsten Aufkleber-Funden.

Aktiv gegen Handelsabkommen TTIP, CETA, TiSA & Co.

TTIP, CETA, TiSA & Co. unterwandern den europäischen Daten- und Verbraucherschutz! Deshalb engagieren wir uns in der europäischen Bürgerinitiative „Stop TTIP“. Gemeinsam mit Campact haben wir EU-Präsident Jean-Claude Juncker mehr als eine Million Unterschriften gegen die Abkommen überreicht. Bis Ende 2014 haben fast 1,5 Millionen Menschen die selbst organisierte Bürgerinitiative unterzeichnet. Gemeinsam mit European Digital Rights (EDRi), der einzigen zivilgesellschaftlichen Organisation auf EU-Ebene, die sich umfassend für Menschenrechte im digitalen Zeitalter einsetzt, suchen wir das Gespräch mit Europa-Abgeordneten. Weitere Informationen zu Datenschutz und Handelsabkommen finden Sie auf unserer Themenseite TTIP, CETA & Co. .

Europäische Vernetzung: „Freedom not Fear“ in Brüssel

Da mittlerweile die meisten Entscheidungen, die unsere Grundrechte gefährden, in Brüssel getroffen werden, müssen wir uns europaweit organisieren. Das passiert jedes Jahr im Herbst beim Vernetzungstreffen „Freedom not Fear“ in Brüssel. Fünf Tage lang haben wir Aktivist.innen aus ganz Europa getroffen, Workshops veranstaltet und Aktionen geplant. Gearbeitet haben wir 2014 unter anderem an den Themen Netzneutralität, Copyright-Reform, TTIP und Vorratsdatenspeicherung. Am letzten Tag besuchten wir das Europäische Parlament und diskutierten mit Politiker.innen über die europäische Datenschutzgrundverordnung, die Erfassung von Reisedaten und die informierte Einwilligung bei der Weitergabe von Daten im Internet.

Telefoncourage: Keine 300 Millionen für den BND!

Die Regierung will tatsächlich den Bundesnachrichtendienst mit 300 Millionen Euro beschenken? In Zeiten eines Überwachungsskandals ist das mehr als skrupellos! Deshalb haben wir es ordentlich klingeln lassen. Im Rahmen einer Telefonaktion gegen die Aufrüstung der Geheimdienste haben wir die Mitglieder des Vertrauensgremiums des Deutschen Bundestags angerufen, um sie zu überzeugen, den Bundesnachrichtendienst als „Staat im Staate“ nicht mit noch mehr Geld zu fördern. Zu dieser Aktion haben wir eine Telefonier-Anleitung veröffentlicht, die alle Menschen nutzen konnten, um gegen die Etat-Erhöhung für Überwacher.innen direkt bei den Entscheidungsträger.innen zu protestieren.

Einfach immer verschlüsseln: Das Projekt p≡p

In unserer Veranstaltungsreihe PUBLIC DOMAIN hat der Software-Architekt Volker Birk das Programm p≡p (sprich: pep) vorgestellt. Mit p≡p wird Verschlüsselung endlich zum Standard. Ob für Email, Kurznachrichten, Chat oder was auch immer – p≡p verschlüsselt, soweit möglich, automatisch alles. Volker Birk hat das Projekt p≡p angestoßen, weil er möchte, dass nicht nur Computer-Nerds vertraulich kommunizieren können, sondern alle Menschen. Vortrag auf digitalcourage.video ansehen.

Adventskalender „Digitale Selbstverteidigung“

In der Weihnachtszeit haben wir jeden Tag einen nützlichen Tipp zur digitalen Selbstverteidigung auf unserer Website veröffentlicht.
Hinter den Türchen befanden sich unter anderem Artikel zur sicheren Email-Kommunikation, Datenverschlüsselung, zu Auskunftsrechten und zum sicheren Surfen. Für mehr digitale Mündigkeit in der Weihnachtszeit – und auch danach, denn die Inhalte des Kalenders sind jetzt als 24 Tipps für digitalen Selbstverteidigung online.

Krankes Datensammeln mit Gesundheitskarte

Als Teil des Bündnisses „Stoppt die e-Card“ engagieren wir uns gegen die profitorientierte Digitalisierung im Gesundheitswesen. Spätestens seit dem Hack des Chip-Herstellers Gemalto, der auch die Chips für die neue Gesundheitskarte herstellt, kann von Sicherheit keine Rede mehr sein. Individueller Widerstand gegen das Datensammeln im Gesundheitswesen wird immer schwieriger. Deshalb haben wir gemeinsam mit anderen Organisationen einen Rechtshilfefonds eingerichtet, um Musterklagen und andere juristische Arbeit gegen die elektronische Gesundheitskarte und ihre Anwendungen zu finanzieren. 

AKtiVCongrEZ: Mitgestalten und Vernetzen

Auf unserem AKtiVCongrEZ im Januar 2015 trafen sich Menschen, die sich für Datenschutz, Demokratie und Bürgerrechte engagieren und Einfluss auf Politik, Gesellschaft und Technik nehmen wollen. Seit 2010 organisiert Digitalcourage jährlich diese Vernetzungs- und Arbeitstage für Aktivist.innen zusammen mit dem DGB-Bildungswerk in Hattingen. Gemeinsam wollen wir beim AKtiVCongrEZ politische Aktionen diskutieren, planen und umsetzen. Themen 2015 waren unter anderem: Datenschutz am Arbeitsplatz, Lobbyismus und Öffentlichkeitsarbeit, neue „Trends“ beim Datensammeln und Auswerten, neue Protestformen, digitale Selbstverteidigung, Datenschutz bei Freihandelsabkommen und Daten in der Medizin.

„Lesen gegen Überwachung“ an 20 Orten in Deutschland

Im Februar 2015 wurden zum „Safer Internet Day“ an 20 Orten in ganz Deutschland Lesungen gegen Überwachung organisiert. In Cafés, Bibliotheken und Wohnzimmern haben Menschen eigene Lesungen organisiert und Texte zur Überwachung gelesen und diskutiert. Gelesen wurden Texte über staatliche und kommerzielle Überwachung – von wissenschaftlichen Artikeln über das Grundgesetz bis zu den Klassikern „1984“ und „Schöne neue Welt“ war jeder Denkanstoß willkommen. Die Lesungen waren eine tolle Gelegenheit, um tiefgründiger nachzudenken, zu diskutieren und völlig neue Leute für das Thema zu gewinnen. Wir sind begeistert und werden damit weitermachen. Zum Beispiel mit einem einwöchigen Seminar beim Mediensommer in Hattingen vom 2. bis 7. August 2015.

Blick nach vorn: Schwerpunkte 2015

Vorratsdatenspeicherung

Wir verlangen, dass die Bundesregierung endlich die Fakten anerkennt. Vorratsdatenspeicherung ist ein illegaler Eingriff in die Grundrechte. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom April 2014 ist die Rechtslage eindeutig: Vorratsdatenspeicherung widerspricht der Grundrechte-Charta der EU. Das ist ein Grundsatz-Argument, das weder in Brüssel noch in Berlin ignoriert werden kann. Wir fordern: Vorratsdatenspeicherung in ganz Europa verbieten! Als erstes werden wir den neuerlichen Anlauf der Großen Koalition für Vorratsdatenspeicherungs-gesetz in Deutschland stoppen. Ein ums andere Mal führen wir Hintergrundgespräche mit Politiker.innen, um ihnen ein weiteres Mal die Fakten zu erläutern und die Folgen klar zu machen. Wir bereiten Veranstaltungen und öffentliche Aktionen vor. Weitere Informationen finden Sie auf der Digitalcourage-Themenseite zur Vorratsdatenspeicherung.

Digitale Selbstverteidigung

Wir engagieren uns dafür, dass möglichst viele Menschen wissen, wie sie sich digital gegen Übergriffe von Unternehmen, Staaten und Kriminellen schützen können. Darum zeigen wir, wie digitale Selbstverteidigung funktioniert.

RFID-Schnüffelchips

Wir wollen eine europäische Datenschutzgrundverordnung, die ihren Namen verdient, setzen uns für Verbraucher.innenrechte und datenschutzfreundliche Geschäftsmodelle ein und wollen, dass RFID-Schnüffelchips an der Kasse von Kleidung und anderen Produkten entfernt werden müssen.

Vernetzung und Infrastruktur

Wir werden auch weiterhin die Vernetzung von Aktivist.innen deutschland- und europaweit fördern, damit wir insgesamt schlagkräftiger werden. Wir bauen unsere Infrastruktur weiter aus: Dazu erweitern wir die Inhalte und Angebote unserer Website, haben eine neue Website für die BigBrotherAwards erstellt, produzieren und verteilen Info-Materialien, betreuen verschiedene Arbeitsgruppen, betreiben einen Server im Anonymisierungs-Netzwerk Tor sowie einen zensurfreien DNS-Server und beteiligen uns am Bielefelder Freifunk.

Fördermitglieder willkommen!

Wir wollen wachsen. Je mehr Unterstützung wir erhalten, desto schlagkräftiger werden wir. Daher freuen wir uns über jede Fördermitgliedschaft, denn die vielen privaten Spenden und Fördermitglieder machen uns unabhängig und geben uns gleichzeitig ein Mandat für unsere Arbeit.


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