Schule geschlossen? Dezentraler Unterricht geht auch datenschutzfreundlich!
Die Schulen sind bundesweit geschlossen worden, um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Viele Lehrerinnen und Lehrer stehen nun vor der Herausforderung, wie sie ihre Schüler.innen weiterhin unterrichten sollen und suchen Lösungen durch die Nutzung diverser digitaler Angebote. Somit zeigt sich klarer als je zuvor, wie der Stand der digitalen Möglichkeiten an Schulen aussieht. Das Ergebnis: Viele Lehrkräfte haben ad hoc keine Lösungen zur Hand.
Derzeit kursieren im Netz etliche – zum Teil dubiose – Angebote, die den Austausch zwischen Lehrkräften, Schulkindern und Eltern erleichtern sollen. Es sollte aber niemand eilig zu Lösungen greifen, die nicht datenschutzkonform sind. Unser Appell: Handeln Sie mit Bedacht! Wählen Sie nicht unüberlegt Angebote aus, die dem Schutz privater Schüler.innen-Daten entgegen stehen!
Die Bildung von Kindern zu sichern, ist wichtig und die Politik reagiert bereits mit Maßnahmen, die Lehrkräfte entlasten und mögliche Bildungsungleichheiten vermeiden sollen. NRWs Schulministerin Yvonne Gebauer verkündete in einer Pressekonferenz vom 16.03.2020:
- Nicht alle Schulen haben die gleichen Voraussetzungen digitale Wege zu nutzen, um Unterricht und Hausaufgabenverteilung weiterzuführen, daher dürfen die Bildungsinhalte, die in den kommenden Wochen vermittelt werden, nicht in Prüfungen abgefragt werden.
- Für Abiturient.innen gibt es Sonderregelungen sofern die Vorprüfungen noch ausstehen.
- Des Weiteren arbeiten die öffentlich-rechtlichen Kanäle gerade an zusätzlichen Bildungsangeboten für Kinder.
(Quellen: https://www.wz.de/nrw/gebauer-empfiehlt-zu-hause-zu-lernen_aid-49580003;
https://www.ruhr24.de/nrw/coronavirus-nrw-live-ticker-zahlen-infizierte-zr-13600561.html)
Das heißt: Es ist nicht nötig, dubiose Onlineangebote und datensammelnde Apps zu nutzen, um Unterrichtsstoff zu vermitteln. Was bisher nicht im Unterricht behandelt wurde, wird auch nicht in Prüfungen behandelt. Es gilt durchzuatmen und weiterhin datenschutzfreundliche Lösungen im Bereich der digitalen Bildung vorzubereiten, die zukünftig kollaboratives Arbeiten von Zuhause ermöglichen.
Im Moment liegt der Fokus auf der Kommunikation mit Schüler.innen und Eltern, sowie dem Austausch von Unterrichtsmaterial für die schulfreie Zeit. Auch in der aktuellen Ausnahmesituation sollten Lehrer, Eltern und Entscheiderinnen nicht vergessen: Die Daten von Kindern und Jugendlichen müssen besonders geschützt werden.
Worauf ist bei Software/Apps zu achten?
Bedenklich sind Angebote,
- deren Datenschutzbestimmungen undurchsichtig sind,
- die keine Angaben über die Sicherheit der Daten machen (z.B. wo/wie sie gespeichert werden),
- die Server in den USA oder anderen Ländern nutzen, wo andere Datenschutzgesetze gelten,
- die proprietär sind und eher wirtschaftliche Ziele verfolgen,
- die gespeicherte Daten auswerten und zu Geld machen, z.B von großen IT-Konzernen (Microsoft, Google, Apple...).
Konkrete Kommunikations- und Interaktionsmittel, die zur Zeit verstärkt genutzt werden und von denen wir dringend abraten sind z.B. WhatsApp, GoogleDocs und Dropbox. Alternativen dazu finden Sie in unserer Digitalen Selbstverteidigung.
Besonders kritisch: Wer sich jetzt an die schlechten Angebote gewöhnt, kommt in Zukunft schlechter davon weg. Das liegt zum einen daran, dass wir Gewohnheitsmenschen sind und zum anderen, dass zum Teil hohe Wechselkosten die Nutzung neuer Software unattraktiv machen („Lock-in-Effekt“).
Datenschutzfreundliches, kollaboratives Arbeiten von zuhause
Was langfristig an Schulen getan werden muss, um nachhaltig Softwarelösungen zu etablieren, erklären wir in einer separaten Artikelreihe. Für den Moment müssen schnelle Lösungen her.
Hierbei spielt natürlich die Datensicherheit auf den einzelnen Geräten eine große Rolle.
- Lehrkräfte, die sich von zu Hause (über einen Schullaptop/Arbeitsgerät) mit dem Schulnetzwerk verbinden wollen, sollten einen VPN-Tunnel nutzen, der vor Fremdeingriffen schützt. Dazu bietet sich OpenVPN an.
- Von der Nutzung privater Geräte ist generell abzuraten, da es schnell zu Problemen bezüglich der datenschutzfreundlichen Verarbeitung sensibler Schüler.innendaten kommen kann, wie wir bereits in der Vergangenheit bezüglich der Lernmanagement-Software LOGINEO NRW berichteten.
Wir haben ein paar Tipps, die sich kurzfristig umsetzen lassen, vor allem wenn Zugang zum Schulserver besteht:
- Moodle: Das Lernmanagement-System bietet die Einrichtung eine Lernumgebung, in der Lehrkräfte Unterrichtsmaterialien hochladen und den Schüler.innen somit e-Learning anbieten können. Mit Moodle können auch Noten verteilt werden. Die Software lässt sich auf den schuleigenen Servern lokal hosten und muss nicht mit dem Internet verbunden werden. Durch spezielle Add-ons lassen sich auch automatisch Zertifkate generieren.
- Stud.IP: Mit der freien Software können Inhalte unkompliziert verwaltet und Lehrräume erstellt werden. Stud.IP ist für Hochschulen und Behörden entwickelt worden, lässt sich aber genauso gut in allen anderen Schulformen und Bildungseinrichtungen einsetzen.
- Learning Locker: Dies ist ein freies Record-Management-System (Aktenführung-/Verwaltung), um Lernfortschritte zu speichern und zu visualisieren. Hierbei können Daten von verschiedenen Lernmanagement-Systemen (z.B. Moodle) eingespeist werden.
- Nextcloud: Es handelt sich hier um einen Online-Speicher zum Selbsthosten. Nextcloud bietet: Speicher (z.B. für das Hochladen und Austauschen von Dokumenten), gemeinsames Arbeiten an Dokumenten (in Projektteams), eine Kalender-Funktion, Synchronisation von Kontakten, Messaging, Video-Chat und es gibt bereits spezielle Anpassungen für Schulen (Education Edition). Außerdem gibt es die Möglichkeit über eine App zuzugreifen und somit lässt sich die Nextcloud bequem von Lehrkräften nutzen, um Hausaufgaben (inkl. Deadline) einzupflegen und Schüler.innen zur Verfügung zu stellen.
- HumHub: Wem die Nextcloud als Netzwerk nicht ausreicht, kann mit HumHub ein Soziales Netzwerk auf dem Schulrechner selbst hosten. Hier lässt es sich zwar nicht gut gemeinsam an Projekten arbeiten, jedoch gibt es hier die „typischen“ Kommunikationstools Sozialer Netzwerke: Anlegen eines Profils, Kommentarfunktion für Bilder, etc.
- Signal oder Wire als Plattform für Kurznachrichten: Sie sind nicht optimal, aber 1000 Mal besser, als über Whatsapp oder Facebook zu kommunizieren. Sie bieten Gruppenchats und Videotelefonie und sind sehr niederschwellig zu installieren.
Zahlreiche weitere Empfehlungen finden Sie in unserem Artikel „Freie Software für Schulen“.
Diese Liste ist natürlich nicht vollständig, aber ein guter Anfang! Grundsätzlich gelten für den dezentralen Unterricht auch die Hinweise, die wir für generell für Tätigkeiten im Homeoffice empfehlen: https://digitalcourage.de/blog/2020/corona-homeoffice-tipps
Nutzen Sie außerdem die Kommunikations- und Dateiverwaltungsangebote, die wir unserer Digitalen Selbstverteidigung empfehlen: https://digitalcourage.de/digitale-selbstverteidigung
Weitere Informationen zu Datenschutz an Schulen, finden Sie in unserem Blog.
Kettenbriefe und Falschmeldungen
Eine wichtige Aufgabe wird es in den kommenden Wochen auch sein, die Verbreitung von Fake News bezüglich des Coronavirus einzudämmen. Gerade Kinder und Jugendliche reagieren potentiell eher ängstlich und unüberlegt auf Inhalte, die ihnen kettenbriefartig über Soziale Netzwerke und Messenger zugespielt werden. Das Problem mit angsteinflößenden Kettenbriefen besteht schon lange, doch die derzeitige Pandemie sorgt für ganze neue und sehr konkrete Ängste. Besonders verbreitet sind derzeit eine Sprachnachricht über den angeblichen Zusammenhang zwischen einer erhöhten Mortalität und des Arzneistoffs Ibuprofen (Verbreitung über WhatsApp) und falsche Informationen über Lebensmittelknappheit, Ausgangssperren sowie Therapiemöglichkeiten. Zeit-Online erklärt in einem Artikel, welchen Merkmalen in (vermeintlichen) Nachrichten und welchen eigenen Vorurteilen wir nicht auf dem Leim gehen sollten.
Datum: 16.03.2020
Text: Jessica Wawrzyniak